Erfolgreiche Beratung der KAHLA/Thüringen Porzellan GmbH bei der Veräußerung des Geschäftsbetriebs
von Artur Deichmann und Julian Vetten, Köln
Deutscher Traditionsbetrieb durch Investoren gerettet
Die KAHLA/Thüringen Porzellan GmbH ist ein deutscher Hersteller von feinem Hartporzellan. Die Gesellschaft wurde 1844 gegründet, firmierte zu DDR-Zeiten als VEB Vereinigte Porzellanwerke Kahla und wurde im Jahr 1991 durch die Treuhandanstalt privatisiert. Nur zwei Jahre später folgte ein Antrag auf Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens. Im Jahr 1994 übernahm Familie Raithel die Mehrheitsanteile der KAHLA/Thüringen Porzellan GmbH und entwickelte die Gesellschaft durch ihre Investitionen zu einem der modernsten Porzellanunternehmen Europas.
Am Standort in Kahla wird das Porzellan gegossen, gedreht und isostatisch gepresst. Die Produktion erfolgt dabei teilweise manuell, aber auch durch Maschinen mit neuester Robotertechnik. Die multifunktionalen KAHLA Produkte für den Haushaltsbereich, die Hotellerie und Gastronomie sowie das individuelle Werbeporzellan für Firmenkunden werden weltweit vertrieben. Das Unternehmen bietet eine Vielzahl an Kollektionen und Produktgruppen für unterschiedliche Anlässe im Home- und Professional-Bereich an.
Die KAHLA/Thüringen Porzellan GmbH stellte infolge eines Liquiditätsengpasses im März 2020 einen Antrag auf Eröffnung eines vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens. Die Verfahrenseröffnung erfolgte am 1. Mai 2020. Im Mai wurde der beschleunigte, strukturierte Investorenprozess gestartet. Im aktuellen Geschäftsjahr beeinträchtigte die COVID-19-Pandemie insbesondere die Umsätze im Bereich Professional (Hotellerie und Gastronomie), während sich der Home-Sektor sehr gut entwickelte. Ziel des Investorenprozesses war – neben der maximalen Befriedigung der Gläubiger – die Sicherung einer möglichst hohen Anzahl an Arbeitsplätzen sowie die Fortführung des Betriebs am Standort Kahla in Thüringen.
Während des Prozesses wurden über 110 mögliche strategische Erwerber und Finanzinvestoren kontaktiert. Trotz COVID-19 konnte eine sehr erfreuliche Marktresonanz erzielt werden, wobei das Interesse industrieller Investoren aus Deutschland und Europa am Erwerb der Zielgesellschaft dominierte. Finanzinvestoren zeigten sich weniger geneigt, das Vorhaben aufzugreifen.
Die Verhandlungen konzentrierten sich letztlich auf zwei strategische Erwerbsinteressenten, die jeweils anstelle eines bereits vorbereiteten Insolvenzplans mit Investoreneintritt eine übertragende Sanierung bevorzugten. Mit beiden Parteien wurde das Vertragswerk incl. aller Anlagen schlussverhandelt. Als bester Bieter setzte sich im August 2020 die SENATOR Gruppe aus Groß-Bieberau mit dem geschäftsführenden Gesellschafter Daniel Jeschonowski durch. SENATOR erwarb den Geschäftsbetrieb der KAHLA/Thüringen Porzellan GmbH über die Porzellanmanufaktur Kahla/Thüringen GmbH und führt seitdem die Produktionsstätte am Standort Kahla in Thüringen mit 175 der zuvor ca. 200 Beschäftigten weiter fort.
Die Herausforderung dieses Investorenprozesses lag insbesondere darin, die verschiedenen Interessen der an diesem Eigenverwaltungsverfahren beteiligten Stakeholder zu berücksichtigen und eine für alle Parteien tragfähige Lösung zu entwickeln, die ebenfalls im Gläubigerausschuss Konsens finden und die Sicherungsgläubiger zur Freigabe der Sicherheiten bewegen konnte.
Die Motivation der Investorenkandidaten wurde zwischenzeitlich aufgrund der streckenweise zermürbenden Verhandlungsumstände beeinträchtigt. Schließlich ist es gelungen, die Dynamik des Prozesses zu erhalten und wieder zu verstärken, die teils divergierenden Interessen der unterschiedlichen Beteiligten auf Verkäuferseite zu kanalisieren und eine auch unter strategischen Gesichtspunkten tragfähige Zukunftslösung verbunden mit einer von COVID-19 weitgehend unbeeinflussten Bewertung zu realisieren. Erneut haben sich auch im Prozess KAHLA/Thüringen Porzellan zwei wesentliche Faktoren als maßgeblich für den erfolgreichen Ausgang des Verfahrens bewiesen: Eine klare und transparente Kommunikation zwischen den Parteien und allen am Prozess Beteiligten sowie die Detailkenntnisse der Berater in Bezug auf den Datenrauminhalt und die unternehmensspezifischen Besonderheiten. Betriebsrat und Belegschaft begrüßen das Engagement und Konzept des ausgewählten Investors.
Artur Deichmann, Dipl. Kfm. und Bankkaufmann, ist Managing Partner bei SSC Consult in Köln. Seine Tätigkeitsgebiete umfassen u.a. die M&A-Beratung im Mittelstand mit Schwerpunkten in der Unternehmernachfolge, bei Konzernausgliederungen und im Rahmen der Strukturierung tragfähiger Fortführungslösungen für Unternehmen im Insolvenzumfeld.
Julian Vetten, LL.M. und Bankkaufmann, ist als Manager bei SSC Consult in Köln tätig und unterstützt Mandanten im operativen Transaktionsgeschäft, sowohl im Rahmen von Nachfolgeregelungen als auch bei Carve-Out Themen und Distressed Transaktionen. Vor seiner Tätigkeit bei SSC Consult war Herr Vetten mehrere Jahre bei einer regionalen Sparkasse und einer Big-Four Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tätig.