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SRNL 2021, 19
Weniger 

Krisenberatung unter Druck?

von Dr. Stefan Weniger, Berlin

Abbildung 21

Wo anfangen?

Neulich sprach ich mit einem Kollegen bei einer anderen, mittelgroßen Sanierungsberatung. Er berichtete, dass ein Teil seiner Belegschaft jetzt „auf Kurzarbeit“ sei. Die Auslastung sei gering, neue Fälle für Sanierungsgutachten kämen wegen der umfangreichen Corona-Fördermittel derzeit nicht mehr rein und bei historisch niedrigen Insolvenzzahlen wäre einfach nicht mehr genug zu tun am Markt. Auslastungsprobleme und letztlich Kurzarbeit als Mittel der Krisenbewältigung seien da auch bei den Sanierungsberatungen unumgänglich. Wirklich?

Völlig irritiert berichtet ich intern davon und siehe da: auch meine Kollegen wussten von anderen Häusern Ähnliches zu berichten. Offenbar trifft die Corona-Krise selbst die Sanierungsberatungen. Haben die Unternehmer ausreichend Mittel, um die Krise zu überstehen, fühlen sie sich zumindest ausreichend mit Mitteln versorgt oder warten sie schlichtweg auf den Staat, damit ihre Probleme gelöst werden? Jedenfalls fragen sie nicht im großen Stil Leistungen von Sanierungsberatern nach, um die aktuelle Krisensituation zu bewältigen.

Ist es tatsächlich so, dass alle (wahrnehmbar und lautstark) über eine Krise lamentieren, die es so gar nicht gibt?

Ganz so ist es vermutlich nicht. Die Krise in der Wirtschaft findet nicht nur in der Berichterstattung statt, sie ist tatsächlich auch bei den Unternehmen angekommen. Alle makroökonomischen Kennzahlen (BIP Einbruch, Zunahme von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit, Eintrübung diverser Branchenindikatoren etc.) sind insoweit eindeutig. Aber warum führt diese Situation nicht umgehend zu einem Nachfrageanstieg für Leistungen zur Krisen- und Transformationsbewältigung, also den Experten für die disruptive Innovation im besten Schumpeterschen Sinne?

Bei einer genaueren Analyse der aktuellen Marktsituation für Sanierungsberatungen fallen zwei grundsätzliche Probleme auf: Eines auf Seiten der Nachfrage, das andere auf Seiten des Angebots durch die Sanierungsberatungen selbst. Ja, es mag eine Art „Nachfrageblockade“ von Seiten der Unternehmen geben. Ein ehrlicher Kassensturz ist derzeit von ihnen nicht zu erwarten. Durchhalten und auf bessere Zeiten hoffen ist für sie offenbar mehr denn je das Gebot der Stunde. Ich bin „Corona Opfer“ und befinde mich mit meinem Unternehmen im Lockdown – damit ist vermeintlich aus Sicht der Unternehmen schon alles gesagt. Mit Dritten offen meine aktuelle Krise aufarbeiten? Kommt gar nicht in Frage, das geht schon vorbei.

Diese Einstellung ist sicher ein Problem für Sanierer. Aber dieses Phänomen ist ja durchaus bekannt und damit sollte ein erfahrener Sanierungsberater mit ausreichend Einfühlungsvermögen in der Ansprache von Unternehmerpersönlichkeiten auch umzugehen wissen. Möglicherweise tritt aber gerade dieses „Krisen ignorieren“ verstärkt bei Unternehmen auf, bei denen tatsächlich (vor Corona) gar keine Krisenindikatoren vorlagen. Im Grunde verhalten sie sich, wie alle Krisenunternehmer, die den Ernst ihre Lage ignorieren und Hilfe ablehnen. „Wie immer“, mag man hier denken.

Das alles entbindet die Sanierungsberater aber nicht von ihrer eigenen unternehmerischen Pflicht. Wie jedes andere Unternehmen auch, müssen sie ihr eigenes Angebot fortwährend optimieren und an den Bedürfnissen des Marktes ausrichten. Eine klassische „Kosten runter – Umsatz rauf“ Sanierung ist nicht die Lösung und war auch nie die Lösung. Die Probleme der Unternehmen sind deutlich komplexer, gerade in Corona-Zeiten. Digitalisierung, Innovationsmanagement, kontinuierliche Weiterentwicklung des Geschäftsmodells sind die Stichworte. Hier gilt es, passende Lösungen anzubieten und im freien Spiel der Kräfte die richtigen Wege raus aus der Krise zu finden.

Das ist aber ein Vorgehen, das von jedem Unternehmer erwartet wird – nicht nur von den Sanierungsberatungen. Diese Überlegung beruhigt dann doch wieder etwas – man hat es eben am

Ende selbst in der Hand, die Krise zu bewältigen. Das gilt für Sanierungsberatungen wie für alle anderen Unternehmer auch. Ein paar Grundregeln der marktwirtschaftlichen Logik gelten eben auch zu Corona-Zeiten weiter.

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Dr. Stefan Weniger ist Partner und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Restrukturierungspartner RSP GmbH & Co. KG. Der Rechtsanwalt hat langjährige Erfahrung in der Sanierungs- und Insolvenzberatung. Seine Kernkompetenzen liegen im Sanierungsmanagement und der-geschäftsführung. Im Rahmen von Eigenverwaltungsverfahren berät er nicht nur die Unternehmen, sondern übernimmt Organverantwortung als CRO und ist verantwortlich für die Umsetzung der Sanierung. Er ist Sanierungsberater CMC/BDU und Vorstands- und Gründungsmitglied des Forum 270 – Qualität und Verantwortung in der Eigenverwaltung e.V.

SRNL 2021 S. 19 (20)

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