R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
SRNL 2024, 8
Fröschen 

Masseschuldcharakter der KFZ-Steuer allein wegen Haltereigenschaft?

Von Dirc Fröschen, Aachen

Abbildung 7

Wer muß zahlen?

Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. April 2024, IV R 18/21, behandelt die Frage, ob die Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) festgesetzt werden kann.

Sachverhalt

Kläger im Verfahren war ein Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH, welche einen Einzelhandel und eine Vermietung von Personenkraftwagen betrieb. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung waren 23 Fahrzeuge auf die Insolvenzschuldnerin zugelassen. Das Hauptzollamt setzte für diese Fahrzeuge die jährliche Kraftfahrzeugsteuer fest. Der Kläger focht die Festsetzung an mit der Begründung, die Fahrzeuge befänden sich nicht in seinem Besitz und er kenne die Besitzverhältnisse auch nicht. Als Grund hierfür wurden Diebstahl und Unterschlagung angeführt.

Das Hauptzollamt akzeptierte den hierauf begründeten Einspruch der Klägerin nicht und setzte Kfz-Steuer in Bezug auf die Fahrzeuge fest, deren Halter die Insolvenzschuldnerin war. Die Beweislast für steuermindernde Tatsachen läge bei der Klägerin, deshalb habe diese auch nachzuweisen, dass die Fahrzeuge nicht ihr zuzurechnen seien. Das FG Berlin-Brandenburg bestätigte diese Auffassung des Hauptzollamtes. Hiergegen richtete sich die Revision der Klägerin.

Leitsatz des Urteils

Der BFH entschied: „Das Hauptzollamt trägt die Feststellungslast für das Vorliegen der Massezugehörigkeit, wenn es gegen einen Insolvenzverwalter Kraftfahrzeugsteuer für ein auf den Insolvenzschuldner zugelassenes Fahrzeug festsetzt.“

Er hob das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück.

Urteilsgründe

Im Steuerfestsetzungsverfahren liegt die Beweislast für steuermindernde Tatsachen grundsätzlich beim Steuerpflichtigen, für steuererhöhenden Tatsachen bei der Finanzbehörde. Diese Beweislastverteilung wird nach Ansicht des BFH auch im Insolvenzverfahren nicht durch § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO „ausgehebelt“. Lassen sich keine Tatsachen feststellen, welche die gesetzlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllen, geht dies zu Lasten des vermeintlichen Massegläubigers.

SRNL 2024 S. 8 (9)

Im vorliegenden Fall entschied der BFH, dass das Hauptzollamt auch im Insolvenzverfahren die Feststellungslast für die Massezugehörigkeit der Fahrzeuge trägt. Allen die Haltereigenschaft für ein Fahrzeug begründe keinen Bezug zur Insolvenzmasse, die Rechtsposition des Halters ist kein geldwertes Recht oder Gut und damit kein „Vermögen“ im Sinne des § 35 InsO.

Zu einer Umkehr der Beweislast könne es erst dann kommen, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten verletze. Dabei seien als Kriterien für die Minderung der Sachaufklärungspflicht und des Beweismaßes die Schwere der Pflichtverletzung, die Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit sowie das vorausgegangene Tun des Steuerpflichtigen und insbesondere die Beweisnähe heranzuziehen. Eine Verletzung von Mitwirkungspflichten könne erst dann angenommen werden, wenn ein Beteiligter auf ausdrückliche Aufforderung des FG eine ihm mögliche Mitwirkung verweigert.

Im vorliegenden Fall habe das FG eine Entscheidung zu Lasten der Klägerin getroffen, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Es sei rechtlich unzutreffend, allein aufgrund seiner Beweisnähe anzunehmen, der Insolvenzverwalter müsse die Nichtzugehörigkeit zur Masse nachweisen und ihm dieser Nachweis nicht gelungen sei.

Damit muss nun das Hauptzollamt nachweisen, dass die Fahrzeuge zur Insolvenzmasse gehören, um die Kraftfahrzeugsteuer als Masseverbindlichkeit festsetzen zu können.

Empfehlungen für die Beratung

Die Ausführungen des BFH zur Beweislastverteilung im Steuerfestsetzungsverfahren entsprechen ständiger Rechtsprechung und sind nicht neu. Interessant ist, dass der BFH diese Regeln auch auf die Durchsetzung der Ansprüche aus den Normen der InsO anwendet, auch wenn es sich hierbei weder um eine dem materiellen Steuerrecht zuzurechnende Norm noch um eine Vorschrift handelt, die eine Steuervergünstigung regelt oder den Steueranspruch aufhebt oder einschränkt. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestimme jedoch, unter welchen Voraussetzungen eine Finanzbehörde berechtigt sei, einen Steueranspruch zu Lasten der Insolvenzmasse geltend zu machen. Die Norm sei deshalb zu Lasten der Finanzverwaltung nicht anzuwenden, wenn ihre Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Dieser Tenor muss auch für andere Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gelten, die gegen die Masse im Insolvenzfall durchgesetzt werden sollen. Allein die Tatsache der eingetretenen Insolvenz und Geltung des Insolvenzrechts führt nicht zu einer generellen Beweislastumkehr zu Lasten der Masse.

Abbildung 8

Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Dirc Fröschen ist Partner bei Dr. Neumann, Schmeer und Partner, Aachen. Er ist zertifizierter Experte für steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung im Zusammenhang mit Sanierung, Restrukturierung und Insolvenzverwaltung. Weitere Schwerpunkte sind die laufende steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung sowie Prüfung von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, insbesondere der öffentlichen Hand, öffentlich-rechtlicher Körperschaften und von Forschungseinrichtungen.

 
stats