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SRNL 2021, 22
Voitzsch 

Pfändungsschutz bei Corona-Beihilfen

von Sebastian Voitzsch, Münster

Abbildung 27

Was bleibt dem Unternehmen von den staatlichen „Geschenken“?

Lächle und sei froh – es könnte schlimmer kommen. Und ich lächelte und war froh – und es kam schlimmer… So oder zumindest so ähnlich fühlen sich wohl Schuldner, die es geschafft haben, erfolgreich einen Antrag auf Corona-Hilfe zu stellen, der nicht nur bewilligt wurde, sondern dem dann auch tatsächlich eine Auszahlung der beantragten Mittel gefolgt ist, und das, bevor es zu spät war – nur um dann festzustellen, dass die Gläubiger meinen, diesen staatlichen Geldsegen mittels der Pfändung für sich beanspruchen zu können.

Die Crux der Soforthilfen besteht darin, dass das Gesetz sie nicht kennt – jedenfalls nicht das Vollstreckungsrecht. Soweit die Soforthilfe auf einem P-Konto eingeht, ist das Regelwerk der § 850 ff. ZPO einschlägig. Indes passen die dort vorgesehenen Ausnahmen (Arbeitseinkommen, Sozialleistungen nach dem SGB etc.) nicht auf die durch die verschiedenen Corona-Hilfsprogramme ausgezahlten Forderungen – diese sind keine Sozialleistungen nach dem SGB oder andere unpfändbare Einkünfte.

Die Justiz geht indes davon aus, dass Corona-Hilfen nicht dazu dienen sollen, pfändende Gläubiger zu befriedigen, sondern dass sie es dem Schuldner ermöglichen sollen, die Corona-Krise zu überstehen und deren Auswirkungen zumindest abzumildern. Einen entsprechenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts, welches die analoge Anwendbarkeit der Pfändungsschutzvorschriften bestätigt und dem Schuldner einen erhöhten Pfändungsfreibetrag auf seinem P-Konto in Höhe des Betrags der gewährten Corona-Hilfen gewährt hat, wurde sowohl durch das Landgericht als auch durch den BGH letztinstanzlich bestätigt (BGH, Beschluss vom 10. März 2021, Az. VII ZB 24/20). Dabei geht der BGH davon aus, dass die Corona-Hilfen keine Leistungen, die dem laufenden Lebensunterhalt dienen, darstellen. Vielmehr gehe es ausweislich der Zweckbindung, die sich sowohl aus den Rechtsgrundlagen der Hilfsprogramme als auch aus dem konkreten Zuwendungsbescheid ergeben, darum, finanzielle Notlagen zu mildern und Liquiditätsengpässe zu überbrücken, die sich aus der besonderen Situation ergeben, die durch die Corona-Pandemie hervorgerufen wurde.

Ob dies gegenüber allen Gläubigern gilt, erscheint zumindest fraglich: in einem Nebensatz weist der BGH darauf hin, die Corona-Hilfe diene „nicht der Befriedigung von Gläubigeransprüchen (…), die – wie im Streitfall – vor dem 1.3.2020, sondern nur solchen, die seit dem 1.3.2020 entstanden sind“.

Möglicherweise wäre demnach eine Pfändung zugunsten von Ansprüchen, die in der Pandemie selbst entstanden sind, zulässig.

So erfreulich die Entscheidung des BGH in der Sache auch ist, zeigt der Vorgang, dass Pfändunggschutz für staatliche Hilfsmaßnahmen keine Selbtsverständlichkeit ist. Es ist Aufgabe des Schuldners (und auch seines Beraters), rechtzeitig einen entsprechenden Antrag zu stellen, damit die Gelder nicht einer möglicherweise bereits bestehenden Pfändung zum Opfer fallen.

Weiter zeigt die Entscheidung, wie fragil die ganze Situation ist: der Beschluss des BGH erging im März 2021, die Ausgangsentscheidung des Vollstreckungsgerichts dagegen bereits im Juni 2020. Den wenigsten Schuldnern dürfte es gelingen, die neun Monate bis zur Rechtskraft der Entscheidung des Vollstreckungsgerichts zu überbrücken.

Ein Lichtblick ist indes, dass der Gesetzgeber reagiert hat: durch das im November 2020 beschlossene Pfändungsschutzkonto-Fortenwicklungsgesetz wurde in § 902 ZPO eine Regelung aufgenommen, die den Pfändungsschutz auf staatliche Subventionen ausdehnt. Damit dürfte zukünftig Rechtssicherheit herrschen – jedenfalls dann, wenn die Subventionsregelungen entsprechende Vorgaben bezüglich des Pfändungsschutzes enthalten.

Abbildung 28

Sebastian Voitzsch ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Nach zweijähriger Tätigkeit in einer ehemaligen OLG-Kanzlei, die seine vorhandene Vorliebe für alle Bereiche der Prozessführung weiter verstärkt hat, gehört er seit 2009 zum Team der MÖNIG Wirtschaftskanzlei. Hier vertritt er die Bereiche (Insolvenz-)Arbeits- und Prozessrecht. Da der beste Prozess, der ist, der nicht geführt werden muss, berät und vertritt er Mandanten auch ohne bzw. zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen.

 
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