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SRNL 2021, 16
Slobbe 

Rettungsschirm für Insolvenzpläne nach Planabstimmung. Zugleich Besprechung des Beschlusses des AG Cloppenburg NZS 9 IN 2/19 vom 13.08.2021

von Simon Slobbe, Münster

Abbildung 18

Heilung eines Versagungsbeschlusses!

1.

Der Schuldner hatte dem Amtsgericht Cloppenburg einen Insolvenzplan vorgelegt, der u.a. die Bildung von sechs Gruppen vorsah. In der Gruppe 5 wurden solche Gläubiger zusammengefasst, die im Rahmen ihrer Forderungsanmeldung geltend gemacht hatten, dass ihre Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen stammen. In der Gruppe 6 fanden sich die Gläubiger mit sonstigen nicht-nachrangigen Forderungen wieder.

In der Gruppe 5 waren bisher noch keine Forderungen mit Deliktscharakter tituliert. Da Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen im Fall der Regelabwicklung nicht an der Restschuldbefreiung teilnehmen, wurden der Gruppe 5 im Insolvenzplan Geldmittel in Höhe der Vollstreckungserwartungen dieser Gläubiger innerhalb der nächsten 30 Jahre bzw. bis zum Erreichen der statistischen Lebenserwartung des Schuldner zugewiesen. Jeder Gläubiger, der eine gerichtliche Feststellung der Forderung und des Deliktscharakter nachweisen konnte, sollte quotal aus den Planmitteln der Gruppe 5 befriedigt werden.

Im Abstimmungstermin stimmten die Gläubiger der Gruppen 1 bis 5 für den Plan. Die Gläubiger der Gruppe 6 lehnten den Plan ab.

Das Gericht ersetze die fehlende Zustimmung der Gläubiger der Gruppe 6 zunächst nicht. Zur Begründung führte es u.a. aus, dass die Gläubiger der Gruppe 5 – sofern man annehmen würde, dass sämtliche Forderungen festgestellt werden würden – eine um 0,0331 % höhere quotale Befriedigung erhalten könnten, als die Gläubiger der Gruppe 6. Dies sei mit § 245 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 InsO nicht vereinbar. Denn die Gläubiger der Gruppe 5 und der Gruppe 6 wären im Insolvenzverfahren gleichrangig zu behandeln. Hieran ändere auch der SRNL 2021 S. 16 (17)behauptete Deliktscharakter nichts. Maßgeblich im Rahmen der Prüfung des Obstruktionsverbots sei nur der Rangbegriff in den §§ 38, 39 InsO.

Der Schuldner legte gegen den Beschluss Beschwerde ein. Um der vom Gericht angenommenen Besserstellung der Gläubiger der Gruppe 5 entgegenzuwirken, gab der Schuldner parallel zur Beschwerdebegründung ein notariell beurkundetes Leistungsversprechen gegenüber allen Gläubigern der Gruppe 6 ab, wonach eine durch den Insolvenzplan möglicherweise eintretende Besserstellung der Gläubiger der Gruppe 5 durch eine unverzügliche quotale Zahlung an die Gläubiger der Gruppe 6 kompensiert wird. Wegen dieses Leistungsversprechens unterwarf sich der Schuldner der sofortigen Zwangsvollstreckung.

Das Gericht half der Beschwerde daraufhin ab und ersetzte die fehlende Zustimmung der Gläubiger der Gruppe 6 und bestätigte – mittlerweile rechtskräftig – die Annahme des Insolvenzplans.

2.

Im Spannungsfeld der Interessen der Insolvenzgläubiger und der Deliktsgläubiger schloss sich das Amtsgericht Cloppenburg der Meinung des Amtsgerichts Köln in dem Beschluss – 73 IN 173/15 – vom 14.11.20217 an, wonach den Gläubigern mit den Ansprüchen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung im Insolvenzplan keine besondere Rechtsstellung zubilligt wird, die eine Andersbehandlung rechtfertigt.

Für den Schuldner ergab sich daher die Notwendigkeit, über eine nachträgliche Planänderung diese Gleichrangigkeit herbeizuführen. Nach dem Gesetz ist nur die Planberichtigung gem. § 221 Satz 2 InsO möglich, die aber nur in den engen Grenzen der Beseitigung offensichtlicher Fehler eine inhaltliche Korrektur des Insolvenzplans erlaubte.

Das Gericht öffnet sich aber für die Möglichkeit, in den Regelungsgehalt des Insolvenzplans nachträglich eingreifen zu können, solange über die Planbestätigung noch nicht endgültig entschieden ist. Damit geht es davon aus, dass dies nach der Rechtsnatur des Insolvenzplans überhaupt möglich ist. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 06.10.2005 – IX ZR 36/02 die dogmatische Einordnung zum „Wesen des Insolvenzplans“ letztlich offengelassen, wobei er dennoch zumindest für bestimmte Teile des Insolvenzplans den Vertragscharakter des Plans betont. Ganz nach dem Grundsatz pacta sunt servanda sind mit „Abschluss“ eines solchen vertragsähnlichen Konstrukts zwischen Schuldner und der Gläubigergesamtheit einseitige inhaltliche Änderungen nicht mehr möglich, jedenfalls wenn die Nachträge dazu führen, dass nicht mehr zwei übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen. Dort jedoch, wo eine Planänderung ohne eine solche Zustimmung auf Gläubigerseite möglich ist, wird jetzt der Weg über eine notarielle Nachtragsurkunde eröffnet, um im Rahmen einer Gesamtschau von Insolvenzplan und Nachtragsurkunde eine angemessene Beteiligung der obstruierenden Gläubiger i.S.v. § 245 Abs. 2 InsO annehmen zu können. Für das einseitige Leistungsversprechen gegenüber den Gläubigern der Gruppe 6 war die Zustimmung der Gläubigergesamtheit nicht erforderlich, da die Planregelungen unangetastet blieben.

Abbildung 19

Nach dem erfolgreichen Abschluss des dualen Studiengang zum Betriebswirt (VWA) bei der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie zu Münster und einem mittelständischem Bekleidungsunternehmen, studierte Simon Slobbe Rechtswissenschaften an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster und absolvierte sein Referendariat beim Landgericht Münster, dass er mit einem Prädikatsexamen abschloss. Von 2005 bis 2009 war Herr Slobbe bei einer Wirtschaftsrechtskanzlei in Münster und Dortmund als Rechtsanwalt tätig. Seit 2009 ist er mit MÖNIG Wirtschaftskanzlei assoziiert und hat die Standorte Dortmund, Düsseldorf und Bochum aufgebaut. Seit dem Jahr 2016 ist er dort Partner.

 
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