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SRNL 2023, 7
Mönning 

Welle und Werkzeug: Sachwalter stärken

von Prof. Dr. R.-D. Mönning, Aachen

Abbildung 6

Nur ein einflussloser Kontrolleur?

Und plötzlich ist die Welle da. Noch ohne Schaumkrone zwar, aber doch schon sicht- und spürbar. Lange vergeblich herbeigeredet, von den einen erhofft, von anderen gefürchtet. Zuletzt hat das Statistische Bundesamt für den Monat Oktober 2023 einen Anstieg der Insolvenzanträge bei Regelinsolvenzen von 22,4 % gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat gemeldet. Da die Anträge erst nach der Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen, entsteht aufgrund der regelmäßigen Dauer der Eröffnungsverfahren eine zeitliche Diskrepanz von drei Monaten. Stellt man deshalb auf den August 2023 ab, ergibt sich ein Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen von 35,7 % gegenüber dem August des Vorjahres. Und auch die Insolvenzverwalterkanzleien registrieren die gestiegene Nachfrage, die besonders den Gastronomiebereich aber auch den Einzelhandel sowie den Automotivsektor betrifft. Allein im Gastrogewerbe gelten aktuell über 15.000 Betriebe als existenzgefährdet, wobei auch die anstehende Mehrwertsteuererhöhung eine Rolle spielen dürfte. Spiegelbildlich zu den Insolvenzzahlen steigt auch der Beratungsbedarf und befördert das Geschäft der Restrukturierungsberater. Kommt also jetzt die Bewährungsprobe für den durch das am 1.1.2021 in Kraft getretene SanInsFog aufgefüllten Werkzeugkasten, der nunmehr vom StaRuG ergänzt wird? Dieses hält ein vorinsolvenzliches Instrument zur Restrukturierung vor, über die in zwei Varianten verfügbare selbst verwaltete Insolvenz, die den Schuldner auf dem Fahrersitz belässt, bis hin zum klassischen Regelverfahren unter Herrschaft eines mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausgestatteten Insolvenzverwalter einen Werkzeugsatz aufweist, der für alle Fälle das richtige Tool zu bieten scheint und damit endlich die Grundlage für eine neue Insolvenzkultur und die weitere Förderung des Sanierungsgedankens legt.

Tatsache ist, dass die Werkzeuge sehr unterschiedliche Verwendung finden. Der Restrukturierungsrahmen wird nur zögerlich mit kaum wahrnehmbarer Steigerungsrate in Anspruch genommen, Das klassische Insolvenzverfahren kommt allenfalls noch in Verfahren aus der Automotivbranche und in Kriminalinsolvenzen zum Einsatz. Bei allen größeren und bedeutenden Verfahren hat sich die Eigenverwaltung einschließlich des vorschnell totgesagten Schutzschirmverfahrens als Standardwerkzeug etabliert, wie Thole in ZIP 2023, 1769 ff (1775) zutreffend feststellt.

Aber Tatsache ist auch, dass insolvenzbasierte Sanierungsversuche immer häufiger scheitern oder nicht von Dauer sind. Das betrifft vor allem solche Verfahren, die in Eigenverwaltung gestartet wurden und im Regelverfahren enden. Dazu existieren keine Statistiken und keine gutachterlichen Untersuchungen – die Thematik wird allenfalls hinter vorgehaltener Hand im Flüsterton angesprochen. Sie wird deutlich, wenn man erfahren muss, wie vorsichtig sich Banken verhalten, wenn es darum geht, frisch restrukturierte und soeben aus der Insolvenz entlas¬SRNL 2023 S. 7 (8)sene Unternehmen wieder mit Kredit zu versorgen. Und es ist keine Seltenheit, dass Unternehmen zwei oder gar drei Insolvenzverfahren durchlaufen, bis endlich eine nachhaltige Sanierung gelingt oder sie endgültig vom Markt verschwinden.

Dabei hat der Gesetzgeber mit dem SanInsFoG die Spreu vom Weizen trennen wollen, indem die Anforderungen an die Eigenverwaltungsvoraussetzungen und hier vor allem die Eigenverwaltungsplanung deutlich verschärft wurden. Aber möglicherweise ist ein Systemfehler nicht in der Planung des Verfahrens zu suchen. Belastbare Zahlenfriedhöfe zu erstellen ist für versierte Berater eine leichte Übung und ihre Bruchstellen zu erkennen für Richter schwierig.

Das Problem liegt an anderer Stelle: Organe und Inhaber von Unternehmen, die sich in der Krise beraten lassen (müssen), erheben heute nahezu ausnahmslos den Anspruch, ein erzwungenes oder freiwilliges Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung zu führen. Gerne in der Schutzschirmvariante, die landläufig nicht als Insolvenzverfahren registriert wird, weil die Gesetzesbezeichnung die Realität kaschiert. Und die Berater wagen nicht zu widersprechen, um das Mandat nicht zu verlieren. Selbst wenn sie erkennen, dass die fachliche oder persönliche Qualität und vielleicht auch die Seriosität der Unternehmensführung zu wünschen übriglässt und nicht ausreicht, um ein Insolvenzverfahren zu bewältigen. Und selbst wenn ein erfahrener Berater als Aufpasser an ihre Seite gestellt wird. Nicht jeder Segler havariert in schwerem Wetter. Nur die leichtsinnigen, die unerfahrenen, unzureichend geschulten und damit unqualifizierten Skipper erleiden Bruch. Und auch im Krisengeschehen sind es Führungsprobleme bis hin zum Führungsversagen, die in gefühlt 2/3 aller Fälle eine wesentliche Insolvenzursache abbilden. Werden Führungsmängel sichtbar, z.B. bei Steuerrückständen, nicht gezahlten Sozialbeiträgen oder gar Straftaten, sortiert das Gesetz für die Eigenverwaltung ungeeignete Fälle aus. Aber ansonsten ist Führungsqualität nicht messbar, was vor allem für die Softskills gilt, die Führung ausmachen. Und die Berater sehen zwangsläufig über erkannte Unzuträglichkeiten hinweg. Denn es gehört schon eine Portion Zivilcourage dazu, einem ungeeigneten Mandanten klarzumachen, dass er nicht als Sanierungsgeschäftsführer taugt. Der Gesetzgeber sollte deshalb über die Aufwertung des Sachwalters nachdenken, seine Rechtsstellung erweitern, ihn stärker in das operative Geschäft einbinden. Ein Gegengewicht setzen, indem der qualifizierte Sachwalter in der Lage versetzt wird, zu intervenieren und zu korrigieren, wenn eine Betriebsfortführung aus dem Ruder läuft oder Fehlentwicklungen auftreten, die den Sanierungsprozeß und die Interessen der Gläubiger gefährden. Der Sachwalter als Lotse, eine Funktion, die er auf Basis seiner derzeitigen Rechtsstellung, ausgestattet mit nur sehr schwachen Kompetenzen nicht erfüllen kann.

Abbildung 7

Professor Dr. Rolf-Dieter Mönning (Mönning Feser Partner) gründete 1980 die Kanzlei Mönning & Georg und zählt zu den führenden Verwaltern und Restrukturierungsberatern (erneut: „Beste Anwälte im Bereich Restrukturierung und Insolvenz“ Handelsblatt 2020). Er wird seit 1979 mit der Abwicklung von Konkurs-, Vergleichs-, Gesamtvollstreckungs- und Insolvenzverfahren und der Beratung von Krisenunternehmen beauftragt und hat bis heute über 3.500 Verfahren aller Größenordnungen mit Schwerpunkt Fortführung und Sanierung bearbeitet. Er veröffentlicht und referiert regelmäßig im In- und Ausland zu insolvenzrechtlichen Themen und ist u.a. Herausgeber und Autor des Handbuchs „Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz“. Bis zur Emeritierung war er Professor für Unternehmensrecht an der Fachhochschule Aachen.

 
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