R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
SRNL 2022, 6
Mönning 

b) Frühwarnsystem

von Prof. Dr. Rolf-Dieter Mönning, Aachen

Abbildung 5

Gefahr erkannt? Gefahr gebannt?

Menschen neigen dazu, auf Krisen erst zu reagieren, wenn es zu spät ist. Unternehmen machen da keine Ausnahmen. Man frönt dem Prinzip Hoffnung oder lebt nach dem rheinischen Grundsatz, dass es noch immer gut gegangen ist. Chancen werden überbewertet, Risiken ausgeblendet. Nur Großunternehmen nutzen Frühwarnsysteme der vierten Generation, meist gezwungen durch Banken und Versicherungen, welche die weitere Begleitung davon abhängig machen, dass eine Risikoprophylaxe betrieben wird. Diese Frühwarnsysteme enthalten Szenario-Rechnungen nach unterschiedlichen Kriterien. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse helfen, die Resilienz zu stärken und auch auf exogene Schocks angemessen zu reagieren. Vorausschauendes Agieren soll mit Hilfe von Prognosen über die weitere Entwicklung bis hin zur Ableitung von strategischen Gegenmaßnahmen bei einer sich abzeichnenden Unternehmenskrise ermöglicht werden. Dabei helfen häufig auch besondere analytische Modelle, wie beispielsweise das FiRE-Modell.

Zum 01.01.2021 ist das SanInsFoG, das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts, in Kraft getreten. Darin enthalten ist als Kernstück der Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (StaRuG), mit dem die Restrukturierungsrichtlinie der EU in nationales Recht transformiert wird. Der Erwartungshorizont ist groß. Kann sich tatsächlich mit dem neuen Instrumentenkasten jedes Unternehmen im Frühstadium einer Krise sanieren? Und werden die Unternehmen davon rechtzeitig Gebrauch machen? Denn das würde bedeuten, dass Risiken frühzeitig erkannt werden und ein Gegensteuern noch möglich ist. Angesichts der eingangs beschriebenen Lage, die durch eine sich rasant und dramatisch zuspitzende weltweite Krisenentwicklung gekennzeichnet ist, werden gleich die Grenzen aufgezeigt. Denn alles, was die derzeitige Lage beschreibt, hatte in dieser Form niemand auf dem Schirm. Und viele der sich jetzt verwirklichenden Risiken entziehen sich ohnehin jeder unternehmensinternen Gestaltungsmöglichkeit. Alle weiteren Analysen und Entscheidungsprozesse können damit nur vom gegenwärtigen Status ausgehen und unternehmensbezogen dort, wo es die derzeitige Lage noch erlaubt, eine Krisenfrüherkennung zu betreiben.

Denn dazu sind die Geschäftsleiter nunmehr verpflichtet. § 1 StaRuG schreibt die Einführung eines rollierenden Systems zur Krisenfrüherkennung vor, um Krisen frühzeitig zu identifizieren und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten. Das setzt zunächst voraus, die potenziellen Risiken zu erkennen und zu bewerten. Ist die Pandemie im Griff oder muss neuerlich mit Beschränkungen gerechnet werden, die zu temporären Zugangsbeschränkungen führen, das Kundenverhalten beeinflussen und einen unmittelbaren Einfluss sowohl auf den Bezug von Ware als auch auf deren Umschlag haben?

Ist die Energieversorgung gewährleistet? Und wie werden sich die Preise weiter entwickeln? Wird es staatliche Hilfen geben? Und wenn ja, wie schnell werden diese greifen? Besteht sogar die Gefahr einer kriegerischen Auseinandersetzung, in die Deutschland verwickelt wird? Sind die Lieferketten sicher, Fachkräfte in ausreichendem Maße verfügbar? Und wie wird sich die Inflation entwickeln? Steht eine Zinswende bevor? Wie wird sich die Energiewende auswirken?

Mit dem Inkrafttreten des StaRuG ist es nicht mehr den Geschäftsleitern überlassen, ob sie sich um ein Frühwarnsystem bemühen. Nunmehr sind sie verpflichtet, Entwicklungen, die SRNL 2022 S. 6 (7)zur Bestandsgefährdung führen können, laufend zu überwachen, frühzeitig geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen und Aufsichtsrat und Gesellschaftsorgane zeitnah zu informieren. Das Gesetz normiert nunmehr eine Pflicht zur Früherkennung, eine Pflicht zur Krisenabwehr und eine Pflicht zur Information. Wer das bisher noch nicht getan hat, muss spätestens jetzt das Frühwarnsystem implementieren, um die Auswirkungen der aufgezeigten Risiken auf die Liquidität und den Ertrag des Unternehmens in den gesetzlich vorgeschriebenen Prognosezeiträumen zu bestimmen. Wer dies in erster Linie als Belastung empfindet, übersieht, dass ein verpflichtendes Frühwarnsystem alle Chancen zu proaktivem Handeln bietet, also das Unternehmen in die Lage versetzen kann, Risiken und Fehlentwicklungen frühzeitig selbständig zu erkennen. Denn dies ist der erste und entscheidende Schritt, um sodann Gegenmaßnahmen einzuleiten, damit einer Verschärfung der Krise und damit verbundenen Fehlentwicklungen vorzubeugen, aber auch um eine noch alle Handlungsoptionen wahrende drohende Zahlungsunfähigkeit oder gar den Notfall schon bestehender Antragspflichten bei bereits eingetretener Zahlungsunfähigkeit zu erkennen.

Abbildung 6

Professor Dr. Rolf-Dieter Mönning (Mönning Feser Partner) gründete 1980 die Kanzlei Mönning& Georg und zählt zu den führenden Verwaltern und Restrukturierungsberatern (erneut: „Beste Anwälte im Bereich Restrukturierung und Insolvenz“ Handelsblatt 2020). Er wird seit 1979 mit der Abwicklung von Konkurs-, Vergleichs-, Gesamtvollstreckungs- und Insolvenzverfahren und der Beratung von Krisenunternehmen beauftragt und hat bis heute über 3.500 Verfahren aller Größenordnungen mit Schwerpunkt Fortführung und Sanierung bearbeitet. Er veröffentlicht und referiert regelmäßig im In- und Ausland zu insolvenzrechtlichen Themen und ist u.a. Herausgeber und Autor des Handbuchs „Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz“. Bis zur Emeritierung war er Professor für Unternehmensrecht an der Fachhochschule Aachen.

 
stats