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WRP 2017, I
Klinkert 

Der EuGH zur internationalen Zuständigkeit: Der Erfolgsort folgt dem Interesse des Klägers

Abbildung 1

RA Dr. Friedrich Klinkert

Das Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer), 17.10.2017 – C-194/16 – Bolagsupplysningen u. a./Svensk Handel (WRP 2017, 1465 ff., in diesem Heft) ist interessant und enthält weit mehr, als eine erste Lektüre der beiden Antworten auf die gestellten Vorlagefragen erwarten lässt. Der EuGH führt zunächst seine langjährige Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit am Erfolgsort bei deliktischen Eingriffen in territorial nicht begrenzte Rechte fort und präzisiert sie. Zur Erinnerung: Seit seinem Urteil vom 07.03.1995 – C-68/93, GRUR Int. 1998, 298 – Fiona Shevill I können Kläger, die eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts geltend machen, auch an dem Erfolgsort klagen, dem Ort, an dem die Veröffentlichung verbreitet und das Ansehen des Klägers beeinträchtigt wird. Mit Urteil vom 25.10.2011 – C-509/09 und C-161/10, WRP 2011, 1571 – eDate Advertising wurde diese Rechtsprechung auf im Internet begangene Persönlichkeitsrechtsverletzungen ausgedehnt und dadurch ergänzt, dass an dem Erfolgsort, an dem der Mittelpunkt der Interessen des geschädigten Klägers liegt, der gesamte Schaden geltend gemacht werden kann. Ansonsten kann, wie schon in Fiona Shevill I entschieden, an jedem anderen Erfolgsort, an dem ehrverletzende Äußerungen verbreitet wurden oder zugänglich sind, der dort jeweils entstandene Schaden (aber auch nur dieser) geltend gemacht werden (sog. Mosaiktheorie).

Bei behaupteter Verletzung von Unternehmenspersönlichkeitsrechten im Internet eine Erfolgsortszuständigkeit nach Art. 7 Nr. 2 VO (EU) Nr. 1215/2012 (Brüssel Ia-VO) bei den Gerichten des Mitgliedstaats anzusiedeln, in dem sich der Mittelpunkt des beeinträchtigten klägerischen Interesses befindet, war daher nur konsequent und zu erwarten. Folgerichtig erscheint auch, dass der EuGH den Mittelpunkt des Interesses der Klägerin nicht an deren Sitz, sondern in dem Mitgliedstaat lokalisiert, in dem die Klägerin den wesentlichen Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ausübt. Nur der Besonderheit des der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts ist geschuldet, dass der Erfolgsort nicht am Sitz des klagenden Unternehmens in Estland, sondern in Schweden lag, zudem noch dem Mitgliedstaat, in dem die beklagte Betreiberin eines Internetportals ihren Sitz hat. Die Entscheidung zeigt, dass der Mittelpunkt der Interessen einer juristischen Person nicht zwangsläufig an ihrem satzungsmäßigen Sitz liegen muss, auch wenn dies sicher der Regelfall bleiben wird.

Von besonderer Bedeutung ist das aktuelle Urteil aber aus einem anderen Grund. Der EuGH hat die seit Fiona Shevill I und eDate Advertising geltende Mosaiktheorie in einem ganz entscheidenden Punkt revidiert. Er hat entschieden, dass Klagen auf Richtigstellung und Löschung über das Internet verbreiteter rechtsverletzender Inhalte nicht mehr vor den Gerichten einzelner Mitgliedstaaten erhoben werden können, in deren Hoheitsgebiet die im Internet veröffentlichten Informationen zugänglich sind. Eine solche Klage kann nur noch bei Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dem der Mittelpunkt des klägerischen Interesses belegen ist. Eine internationale Zuständigkeit haben diese Gerichte zugleich für Klagen auf Ersatz des gesamten durch Online-Inhalte verursachten Schadens. Die derart begründete internationale Zuständigkeit am Erfolgsort wird dementsprechend auch auf die Frage des nach Art. 4 Rom II-VO anwendbaren Sachrechts durchschlagen. Nach diesem Sachrecht sind daher auch Schäden zu beurteilen, die sich in einem anderen Mitgliedstaat verwirklicht haben.

Das Urteil ist zu begrüßen. Es ersetzt die bei der Verfolgung territorial nicht begrenzter Rechte ungemein zeit- und kostenaufwendige Rechtsverfolgung mit Klagen in mehreren Mitgliedstaaten durch eine einzige, am Erfolgsort erhobene Klage. Diese Entwicklung hatte sich bereits mit dem Urteil vom 21.05.2015 – C-352/13, GRUR Int. 2015, 1176 – CDC Hydrogen Peroxid SA/Akzo Nobel NV angedeutet. Dort hat der EuGH entschieden, dass ein Kläger, der durch zeitlich und örtlich unterschiedliche Kartellabsprachen mehrerer Beklagten aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten an seinem Vermögen geschädigt wurde, Klage auf den gesamten erlittenen Schaden erheben kann. International zuständig dafür ist das am klägerischen Sitz belegene Gericht des Erfolgsorts.

Die für den Beklagten bestehende Vorhersehbarkeit, an welchem Gericht er verklagt werden wird und die am Erfolgsort üblicherweise besseren Aufklärungsmöglichkeiten hinsichtlich des Eingriffs in dort belegene Rechtsgüter begründen nach richtiger Auffassung des EuGH die Zuständigkeit gem. Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia-VO in derartigen Fällen. Es ist zu erwarten, dass der EuGH diese Rechtsprechung künftig auf Eingriffe in weitere territorial nicht begrenzte Rechte ausdehnen wird.

Wie bereits in anderen Fällen (BGH, 02.03.2010 – VI ZR 23/09, WRP 2010, 653 – The New York Times; BGH, 21.04.2016 – I ZR 43/14, WRP 2016, 1114 – An Evening with Marlene Dietrich) wird sicherlich der BGH auch dem aktuellen Urteil des EuGH angemessene Beachtung bei seiner künftigen Rechtsprechung zur internationalen Zuständigkeit nach § 32 ZPO schenken. Zu hoffen bleibt, dass sich auch Instanzgerichte mit dieser Problematik in Zukunft eingehender beschäftigen werden.

RA Dr. Friedrich Klinkert, Frankfurt a. M.

 
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