„Green Hushing“ – Ist Schweigen bei verfehlten Klimazielen Gold?
RA Dr. Fabian Klein
RAin Franziska Mauritz
Die Notwendigkeit für Unternehmen, Produkte und Produktionsprozesse umweltfreundlicher zu gestalten, ist hinlänglich bekannt. Der Druck kommt sowohl von verschiedenen rechtlichen Pflichten – etwa in Form von ESG-Berichtspflichten – als auch von der tatsächlichen Erwartungshaltung der Konsumenten.
Es liegt auf der Hand, die eigenen Nachhaltigkeitsbemühungen aktiv als Verkaufsargument zu kommunizieren. Übertreiben Unternehmen dabei und stellen sich oder ihre Produkte (bewusst oder unbewusst) als besonders umweltfreundlich dar, ohne dass dies tatsächlich zutrifft, spricht man von „Greenwashing“. Rechtlich ist dies ein Fall für die Irreführungsvorschriften des UWG. Die Rechtsfolgen reichen von Abmahnungen über Unterlassungsverfügungen bis hin zu behördlichen Untersagungen – von tatsächlichen Folgen wie Rufschädigung ganz abgesehen.
Das Greenwashing-Risiko steigt dabei, je genauer Konsumenten aufgeklärt sind. Eine unpräzise Formulierung kann dann schon reichen, um als „Greenwasher“ dazustehen. Je schwammiger der Werbebegriff ist, desto schwieriger ist die beworbene Aussage im Streitfall nachzuweisen. Zudem blickt die Rechtsprechung verstärkt kritisch auf umweltbezogene Werbung (wie zuletzt: LG Stuttgart, 30.12.2022 – 53 O 169/22, juris). Auch drohen mit der geplanten Änderung der UGP-Richtlinie (sog. Green Claims-RL, COM (2022)143 final) künftig feingliedrigere rechtliche Vorgaben.
Daher entscheiden sich immer mehr Unternehmen aktiv gegen die Kommunikation ihrer Klimaziele (soweit sie dazu nicht verpflichtet sind). Dieser Gegentrend zum „Greenwashing“ wird als „Green Hushing“ bezeichnet und in den Medien mit Besorgnis verfolgt, da hierdurch das im Wettbewerb steckende Potential klimaschützender Innovationen verpasst würde – eine Tendenz, die insbesondere dem Unionsgesetzgeber beim Entwurf besagter Green Claims-RL zu denken geben sollte.
Besonders attraktiv scheint das „Green Hushing“ vor allem dann, wenn Unternehmen feststellen, dass sie in der Vergangenheit gesetzte und kommunizierte Klimaziele nicht werden einhalten können. Zeigt sich etwa, dass der Produktionsprozess doch nicht – wie zuletzt (werblich relevant) angepriesen – bereits im nächsten Jahr vollständig CO2-neutral aufgesetzt werden kann, ist die Versuchung groß, dieses Ziel still und heimlich zu beerdigen und nicht mehr darüber zu sprechen.
Aber ist ein solches Schweigen ausreichend, oder ist es unlauter? Spezialgesetzliche Vorschriften sucht man hierfür noch vergebens. Eine mögliche Unlauterkeit richtet sich daher (bislang) wie bei allen umweltbezogenen Aussagen insbesondere nach den Irreführungstatbeständen der §§ 5, 5a UWG und der Generalklausel in § 3 UWG.
Wiederholt das Unternehmen die unhaltbare Aussage nicht mehr selbst, dürfte eine Irreführung nach § 5 UWG in der Regel ausscheiden. Wie aber sieht es mit § 5a UWG aus? Ist der Werbende zur „aktiven“ Aufklärung verpflichtet? Politisch wäre dies sicher wünschenswert, und die angesprochene Green Claims-RL dürfte hierbei selbst ohne explizit auf diesen Fall zugeschnittene Regelung noch relevant werden. Aber auch bereits jetzt gibt es Ansatzpunkte für eine solche „Richtigstellungspflicht“: Wirkt eine in der Vergangenheit getroffene Aussage in den Köpfen der Verbraucher nach, kann sie das Verständnis der aktuellen Werbung beeinflussen und daher auch diese in die Unlauterkeit ziehen. Wurde ein Verbraucher das gesamte Jahr 2022 etwa mit der Werbung „Wir werden klimaneutral bis 2025“ konfrontiert und hat sich diese Information daher in seiner Vorstellung manifestiert, dürfte er eine Werbung desselben Unternehmens in 2025 auch ohne die erneute Wiederholung dieser Aussage so verstehen, als sei das Ziel erreicht worden.
War schon die bisherige Aussage falsch (war also schon in 2022 absehbar, dass das Ziel nicht erreicht werden wird), handelt es sich um einen Fall der „fortwirkenden Irreführung“. Zeigt sich erst 2025, dass das Klimaziel nicht erreicht werden kann und war die Aussage bis dahin nicht irreführend, spricht man von einer „Veränderung der Umstände“. Da sich in beiden Fällen die ursprüngliche Aussage auf die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers für ein Produkt des werbenden Unternehmens auswirkt, verpflichtet dies zur Aufklärung über das verpasste Klimaziel.
Kommt der Werbende dieser Pflicht nicht nach, liegt eine Irreführung durch Unterlassen nach § 5a UWG vor, wenn es sich um wesentliche Informationen handelt, die der Verbraucher – auch aufgrund der früheren Kommunikation – erwarten darf. Hierfür wird es keine allumfassende Lösung geben. Vielmehr wird der Einzelfall entscheiden. Bedenkt man aber die eingangs angesprochene (zunehmende) rechtliche und tatsächliche Relevanz der umweltbezogenen Eigenschaften eines Produkts und den „strengen Maßstab“, den die Rechtsprechung an umweltbezogene Werbung stellt, dürfte es sich bei diesen Angaben häufig um wesentliche Informationen handeln.
Die Kommunikation mit Klimazielen ist daher wohl einem doppelten Risiko ausgesetzt: Dem des aktuellen Greenwashings beim Aufstellen der Aussage und dem des zukünftigen Green Hushings bei einer (heimlichen) Aufgabe.
RA Dr. Fabian Klein und RAin Franziska Mauritz, Frankfurt a. M.