Vergleichsportale sind keine vergleichende Werbung – aber was dann?
Die HUK-COBURG-Entscheidung des EuGH vom 08.05.2025 – C-697/23 lässt das Problem ungelöst
Prof. Dr. Helmut Köhler
1. Die HUK-COBURG klagte vor dem LG München I (07.11.2023 – 1 HKO 5720/21) gegen mehrere Gesellschaften der CHECK24-Vergleichsportale auf Unterlassung und Schadensersatz mit der Begründung, die von diesen Gesellschaften im Internet angebotenen Vergleiche mit Tarifnoten für bestimmte Versicherungen würden gegen § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG verstoßen. Diese Vorschrift setzt Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2006/114/EG um. Das LG München I war der Auffassung, dass die Frage, ob diese Vorschrift einen Vergleich mit Tarifnoten generell verbiete, von der Auslegung dieser unionsrechtlichen Regelung abhänge. Es legte daher dem EuGH zur Vorabentscheidung die Frage vor:
„Ist Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2006/114 dahin auszulegen, dass die Bedingungen an eine zulässige vergleichende Werbung nach dieser Vorschrift auch dann erfüllt sein können, wenn der Vergleich mittels eines Benotungs- bzw. Bepunktungssystems durchgeführt wird?“ (EuGH, Urteil vom 08.05.2025 – C-697/23, WRP 2025, 863 ff., in diesem Heft, Rn. 21).
2. Der EuGH interpretierte in den Rn. 23 bis 38 die Vorlagefrage dahin, dass es im vorliegenden Fall nur formal um die Auslegung von Art. 4 Buchst. c der Richtlinie 2006/114 gehe. Vielmehr sei zu prüfen, ob ein von einem Unternehmen bereitgestellter Online-Vergleichsdienst für Versicherungsprodukte als „vergleichende Werbung“ i. S. v. Art. 2 Buchst. c dieser Richtlinie angesehen werden könne und ob eine solche Form der Werbung ggf. die in der Richtlinie festgelegten Zulässigkeitsbedingungen erfülle. Daher komme es entscheidend darauf an, ob eine Unternehmensgruppe, die Online-Vergleichsdienste für Versicherungsprodukte anbiete, wie CHECK24, i. S. v. Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 2006/114/EG als „Mitbewerber“ einer Versicherungsgruppe, wie HUK-COBURG, eingestuft werden könne.
Die Antwort darauf fiel dem EuGH leicht. Er stellte auf seine frühere Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidungen De Landtheer Emmanuel (19.04.2007 – C-381/05, Slg. 2007, I-3115) und Lidl (18.11.2010, C-159/09, WRP 2011, 195) ab. Im vorliegenden Fall würden beide Unternehmen Dienstleistungen anbieten, die nicht substituierbar seien, und demnach seien beide auf unterschiedlichen Dienstleistungsmärkten tätig. Dies gelte auch, wenn CHECK24 als bloßer Vermittler den Abschluss von Verträgen zwischen Kunden und Anbietern von Versicherungsprodukten ermögliche.
Daher sei Art. 2 Buchst. c der RL 2006/114/EG dahin auszulegen, dass dies auch für einen Online-Vergleichsdienst für Waren oder Dienstleistungen gelte. Da CHECK24 kein „Mitbewerber“ von HUK-Coburg sei, würde ihr Angebot auch nicht unter den Begriff „vergleichende Werbung“ fallen. Das Gleiche gelte, wenn dieses Unternehmen als Vermittler auftrete und, ohne selbst auf diesem Markt für Waren oder Dienstleistungen tätig zu sein, es Verbrauchern ermögliche, Verträge mit Unternehmen abzuschließen, die die betreffenden Waren oder Dienstleistungen anbieten (Rn. 39). Auf diese Weise vermied es der EuGH, die eigentliche Frage zu beantworten, ob das von CHECK24 verwendete Bepunktungs- und Benotungssystem für sich gesehen mit Art. 4 Buchst. c) der Richtlinie 2006/114/EG (und damit mit § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG) vereinbar ist.
3. Aus Sicht des LG München I wäre es danach an sich folgerichtig, die auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG gestützte Klage der HUK-COBURG schon deshalb als unbegründet abzuweisen, weil CHECK24 nicht „Mitbewerber“ von HUK-COBURG sei.
4. Die Antwort des EuGH auf die Vorlagefrage des LG München I ist zwar formal richtig. Sie trägt aber nicht zur Lösung des eigentlichen Problems bei: Es geht um das Geschäftsmodell der Internet-Vergleichsportale (vgl. dazu insbesondere Alexander, WRP 2018, 765 ff. m. w. N.). Dieses Geschäftsmodell hatte sich – soweit ersichtlich – erst nach Erlass der Richtlinie 2006/114/EG herausgebildet. Daher konnte der damalige Unionsgesetzgeber nicht auf die damit verbundene Problematik reagieren. Es liegt mit anderen Worten eine „Regelungslücke“ vor, die es durch die Rechtsprechung zu schließen gilt (vgl. dazu BGH, 06.10.2015 – C-362/14, WRP 2015, 1326 – Hotelbewertungsportal).
5. Die eigentliche Frage ist daher, welche rechtlichen Anforderungen an einen Vergleich der Waren und Dienstleistungen durch ein Internet-Vergleichsportal zu stellen sind. Folglich sollte sich auch das LG München I mit dieser Problematik befassen. Der Verfasser wird in einem späteren Beitrag für die WRP versuchen, eine Antwort auf diese Frage zu geben.
Prof. Dr. Helmut Köhler, München