Der Gesellschaftsanteil an einer Personengesellschaft
Karsten Schmidt*
I. Einleitung
Peter Ulmer, dessen wir heute – und fürwahr nicht nur heute – in Dankbarkeit und Bewunderung gedenken, war allem anderen voraus ein Meister des Gesellschaftsrechts. Die fachliche Ausrichtung des Gedächtnissymposions unter dem Dach des Gesellschaftsrechts zeugt von der Einsicht der Veranstalter in dieses akademische Zentrum seines Wirkens. Dem trägt auch die Würdigung seines Werks in den nun folgenden gesellschaftsrechtlichen Referaten Rechnung, die damit zwar nur einen Ausschnitt aus einem immensen wissenschaftlichen Werk ausleuchten werden, damit aber doch den Löwenanteil seiner Forschungsbeiträge. Schon als ich vor Jahrzehnten Ulmers Nachfolge bei der Universität Hamburg antrat, verband, wer sich in der Rechtswissenschaft auskannte, mit seinem Namen das Gesellschaftsrecht. Ihm widmete er damals schon groß angelegte Kommentierungen in legendären Standardwerken,1 begründet von Max Hachenburg (1860–1951) und Hermann Staub (1856–1904), beides Schrittmacher der wissenschaftlichen Kommentierungskunst und Repräsentanten auch der professionellen Gesellschaftsrechtspraxis.2 Wer sich heute vorzustellen versucht, worüber Peter Ulmer wohl in seinen Hamburger Jahren bis 1975 geforscht und nachgedacht haben mag, wird im Rückblick vielleicht auf die Rechtsfähigkeit der Außen-Personengesellschaft wetten. Blickt man indes in sein Schriftenverzeichnis aus jenen Jahren,3 dann kommt pari passu neben dem Gesellschaftsrecht das Wettbewerbsrecht daher und bald auch das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, für das er uns das grundlegende Juristentagsreferat von 19744 und später den großen AGB-Kommentar Ulmer/Brandner/Hensen5 schenkte. Als seine unsterbliche Kommentierung des BGB-Gesellschaftsrechts in erster Auflage erschien, war er in seine wissenschaftliche Heimat, also an die Ruperto Carola in Heidelberg, zurückgekehrt, und seither überstrahlt diese Kommentierung des Perso-
II. Die Mitgliedschaft in der rechtsfähigen Personengesellschaft
1. “Neues” und “altes” Personengesellschaftsrecht
Wer im Jahr 2024 von der rechtsfähigen Personengesellschaft spricht, wird wohl spontan an das gerade in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts von 20217 denken. Seit diesem Gesetz wird das Gesellschaftsvermögen einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts im Gesetz nicht mehr als “gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter” bezeichnet (so § 718 Abs. 1 BGB a.F.), sondern als “Vermögen der – nun einmal rechtsfähigen! – Gesellschaft” (§ 713 BGB n.F.). Diese Änderung des Gesetzestexts hat eine aufgeregte Debatte darüber ausgelöst, ob nun die Gesamthandsgesellschaft mit der Autorität des Gesetzes abgeschafft sei.8 Wer auch nur ein wenig dogmengeschichtlich denkt, wird hoffentlich feststellen, dass diese begrüßenswerte Modernisierung allen voran zwei Gelehrten zu verdanken ist: Werner Flume und Peter Ulmer. Beide haben seit einem halben Jahrhundert für die Rechtsfähigkeit jeder Außen-Personengesellschaft gestritten, und Flume würde heute wohl sogar feststellen, dass das neu gefasste BGB-Gesellschaftsrecht doch nur das abbilde, was er ohne Zuhilfenahme des Bundesgesetzblatts als rechtsfähige Gesamthandsgesellschaft erkannt und benannt habe.9 Auch Peter Ulmer hat keinen Zweifel daran gelassen, dass die rechtsfähige Personengesellschaft Gesamthand sei und gewiss keine juristische Person.10 Doch ist ein Eintritt in diese Debatte heute nicht mein Geschäft. Bemerkenswert ist dagegen, dass ein Nachdenken über die rechtsfähige Gesellschaft und ihr Vermögen auch auf das Verständnis der Mitgliedschaft ausstrahlt. Das Gesellschaftsrecht denkt organisationsrechtlich, und das gilt auch für die Teilhabe eines Gesellschafters an der Gesellschaft. Die Mitgliedschaft ist Verbandsmitgliedschaft und durchaus etwas anderes als ein Miteigentum der Gesellschafter am
2. Tücken des positiven Rechts vor 2024
a) Der bis 2023 geltende Gesetzeswortlaut war nicht ohne Tücke, denn er versperrte den Blick auf das soeben schon angedeutete Wesen der Gesellschaftsbeteiligung. Das zeigt nicht allein der Blick auf den schon zitierten § 718 BGB a.F. (Gesellschaftsvermögen als “gemeinschaftliches Vermögen der Gesellschafter”), sondern ebenso auf § 719 Abs. 1 BGB a.F. Diese Bestimmung regelte Rechtswirkungen der damals so genannten “gesamthänderische[n] Bindung” des Gesellschaftsvermögens, und zwar mit den folgenden Worten: “Ein Gesellschafter kann nicht über seinen Anteil an dem Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazu gehörenden Gegenständen verfügen. . .”. Ihre Wirkung war kaum weniger verheerend als die des § 718 BGB a.F. Eine Jahrhunderthälfte lang, nämlich von 1900 bis noch nach dem Zweiten Weltkrieg, folgerte die herrschende Auffassung aus § 719 BGB a.F., dass einem Gesellschafter die Übertragung seines Personengesellschaftsanteils durch Verfügungsgeschäft ebenso versagt sei wie die Verfügung über Anteile an dem Gesellschaftsvermögen12 und ließ statt einer Anteilsübertragung nur eine Änderung des Gesellschaftsvertrags zu: Ein veräußerungswilliger Altgesellschafter müsse aus der Gesellschaft ausscheiden, der Neugesellschafter müsste statt seiner in die Gesellschaft eintreten,13 und wenn zwischen beiden ein Kaufpreis vereinbart war, wurde dieser in eine Verrechnung der vom Neugesellschafter zu leistenden Einlage und der dem Altgesellschafter zustehenden Abfindung umgedeutet.14 Unverkennbar war diese “Theorie (!?) des Doppelvertrags”15 eine praxisblinde Vergewaltigung des Parteiwillens,16 deren Überflüssigkeit heute aus § 711 BGB n.F. mit Leichtigkeit ablesbar ist: Der einem Gesellschaf-
b) Die Widerstandskraft der sich einer Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften hartnäckig verweigernden Gesellschaftsrechtsdoktrin war angesichts der seit 1900 unangefochtenen – durch die §§ 105 Abs. 2, 161 Abs. 2 HGB so-
Auch meine eigene Forschungsarbeit, auf die ich nicht vollkommen ohne Selbstbewusstsein zurückblicke, ist nicht frei von Zeugnissen der aus der Gesamthandgesetzgebung resultierenden Wirrnis. Nicht ohne ein Gefühl der Peinlichkeit fällt etwa mein Blick auf einen im Jahr 1977 publizierten Zeitschriftenaufsatz mit dem Titel23: “Der unveräußerliche Gesamthandsanteil – ein Vollstreckungsgegenstand?”. Ausgangspunkt dieses Beitrags war § 859 ZPO a.F. und dessen Verhältnis zu § 719 Abs. 1 BGB a.F. Aus § 859 ZPO a.F. ergab sich, dass der Anteil an einer Personengesellschaft und ebenso der Anteil eines Miterben an einem Nachlass – in den Worten der herrschenden Meinung kurz: ein Gesamthandsanteil – der Pfändung unterworfen war. Das leuchtete für den Miterbenanteil unmittelbar ein, weil dieser nach § 2033 BGB auch übertragbar ist. Für den Anteil an einer Personengesellschaft wurde dagegen, wie schon herausgestellt, aus § 719 Abs. 1 BGB a.F. etwas ganz anderes hergeleitet: seine Unübertragbarkeit, und dies galt nach § 105 Abs. 3 HGB auch für Handelsgesellschaften. Nun verwies und verweist § 857 ZPO bezüglich der Zwangsvollstreckung in Vermögensrechte, soweit nicht die Regeln der Immobiliarvollstreckung zur Anwendung kommen, auf das Recht der Forderungspfändung, und zu diesem gehört wiederum § 851 Abs. 1 ZPO, wonach Forderungen in Ermangelung besonderer Vorschriften nur insoweit der Pfändung unterworfen sind, als sie übertragbar sind. Diese Normsituation bereitete Kopfschmerzen. Musste sich aus ihr, so war meine Frage, vor dem Hintergrund des § 719 Abs. 1 BGB a.F. nicht ergeben, dass ein Personengesellschaftsanteil mangels Übertragbarkeit aus rechtsdogmatischen Gründen unpfändbar sei?24 Um dem § 859 ZPO a.F. Gefolgschaft leisten zu können, ohne an einer Perplexität des geschriebenen Rechts zu scheitern, ließ ich mir eine Notlösung einfallen: Zweifellos wolle das Gesetz die Anteilspfändung ungeachtet des § 719 BGB ermöglichen, und das habe auch seine Richtigkeit. Dafür müsse man nur erkennen, dass es sich bei der gesetzlich zugelassenen Anteilspfändung gar nicht um eine Pfändung des “Gesamthandsanteils”, sondern um eine Globalpfändung der dem Gesellschafter aufgrund des Gesellschaftsverhältnisses zustehenden, durchaus abtretbaren, Forderungen handle, insbesondere also der Abfindungsansprüche, die nach der Pfändung und Überweisung dem
III. Aufgabe für ein Gelehrtenleben: Gesellschaftsanteil und Nachfolge von Todes wegen
1. Eine Grundlagendiskussion
Eine die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts begleitende Grundlagendiskussion, in der Peter Ulmer bald eine dominierende Kraft entfalten sollte, kann ich nicht auslassen, im heutigen Rahmen allerdings nur zu skizzieren versuchen. Schon bald nach dem zweiten Weltkrieg hatte – vorangetrieben vor allem durch Alfred Hueck,31 Wolfgang Siebert32 und Herbert Wiedemann33 – eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen dem Personengesellschaftsrecht und dem Erbrecht begonnen. Anders als in der Frage der Rechtsfähigkeit von Personengesellschaften fand Ulmer hier ein bereits gut bestelltes Arbeitsfeld vor, auf dem er bald zum Stimmführer aufrücken sollte. Sein diesbezüglicher Forschungseifer würde sicherlich missverstanden, wollte man hierin ein heimliches Faible für das Erbrecht erkennen. Ausschlaggebend kann vielmehr nur die Einsicht gewesen sein, dass sich die Nachfolge von Todes wegen als ein nützliches Forschungslabor für das rechte Verständnis der Mitgliedschaft bei Personengesellschaften anbietet.
2. Gesetz und Recht
Die Ausgangsfragen waren weniger dogmatischer als rechtspraktischer Art, und die Gesetzeslage war im Personengesellschaftsrecht sehr unterschiedlich:
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Eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts war mangels abweichender Vertragsregelung mit dem Tod eines Gesellschafters aufgelöst (§ 727 BGB a. F.).
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Ein unbeschränkt haftender Handelsgesellschafter schied vorbehaltlich abweichender Regelung mit seinem Tod aus (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 HGB a. F.), was beim Tod eines Komplementärs oder oHG-Gesellschafters auf ein Erlöschen des Anteils und eine Abfindung der Erben in Geld hinauslief.
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Dagegen war ein Kommanditanteil nach § 177 HGB ohne weiteres vererblich.
Bekanntlich hatte die Kautelarpraxis zu jedem dieser Fälle sorgsam durchdachte Vertragsklauseln entwickelt, die Ulmers praktisches Interesse wecken mussten und ihn zu einem gefragten Autor, Gutachter und Schiedsrichter werden ließen. Antrieb alles dessen war aber sein auf die Mitgliedschaft bezogenes Erkenntnisinteresse, und da war viel zu tun.
3. “Sondererbfolge” in Gesamtrechtsnachfolge?
Um zu verdeutlichen, dass der Anteil an einer Personengesellschaft ein schwer durchschaubares Gebilde ist, das selbst in den klarsten Köpfen zu Irritationen führen kann, ist ein Blick auf Werner Flumes Deutung der gesellschaftsvertraglichen Nachfolgeklausel von Wert. Die Bedeutung dieser Klausel wurde vor dem MoPeG darin gesehen, dass der Tod eines oHG-Gesellschafters oder Komplementärs nicht zu dessen Ausscheiden gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB a.F., also nicht zur Abfindung der Erben, und im Fall einer Gesellschaft Bürgerlichen Rechts nicht zu deren Auflösung gemäß § 727 Abs. 1 BGB a.F. führe, sondern zur Fortsetzung der Gesellschaft mit dem oder den Erben, ganz wie dies beim Tod eines Kommanditisten durch § 177 HGB als Grundregel anerkannt war. Aber dieser Nachfolgevorgang wollte sich erbrechtlichen Mustern nicht bruchlos einfügen. Im Fall einer qualifizierten Nachfolgeklausel kam der Rechtsübergang nur dem oder den durch die Klausel als tauglichen Nachfolger(n) benannten Erben zugute, beispielsweise der oder dem ältesten Miterben oder einem im Geschäftszweig der Gesellschaft ausgebildeten Abkömmling. Selbst wenn Miterben nach § 177 HGB bzw. aufgrund einer Nachfolgeklausel allesamt zur Nachfolge in die Gesellschafterstellung des Erblassers berufen sind, treten sie diese Nachfolge nicht “in Erbengemeinschaft”, sondern als einzelne Rechtsnachfolger des verstorbenen Gesellschafters an.34 Dieser Rechtsübergang auf alle oder einzelne zur Nachfolge als Gesellschafter berufene Erben ohne vorausgehende Erbauseinandersetzung entsprach schon nach altem Recht dem Sinn der Nachfolgeklauseln und wurde unmissverständlich vom Gesetz respektiert. Nach § 139 HGB a.F. konnte jeder – d.h. jeder Einzelne! – durch Nachfolgeklausel berufene Komplementärerbe sein Verbleiben in der Gesellschaft davon abhängig machen, dass sein Anteil – nicht der vererbte Anteil in toto! – in den eines Kommanditisten umgewandelt werde. Eine solche Anteilsumwandlung konnte durch eine Vereinbarung jedes zur Nachfolge berufenen Erben mit den Mitgesellschaftern – nicht etwa mit seinen Miterben! – vollzogen werden, also durch eine Verfügung jedes einzelnen Erben über seine Mitgliedschaft, ganz ohne Mitspracherechte anderer Erben. Kein Miterbe des berufenen Nachfolgers konnte also gesamthänderische Rechte an dem Gesellschaftsanteil des Erblassers reklamieren. Der vererbte Gesellschaftsanteil befand sich in einer erbrechtsfremden, gesellschaftsrechtlich bestimmten Rechtszuständigkeit jedes einzelnen Nachfolgeberechtigten,35 der nicht Alleinerbe sein musste, im Fall
Dieser Übergang der Mitgliedschaft auf nur einen Nachfolger oder im Fall mehrerer Nachfolger auf jeden einzelnen Nachfolger entsprach und entspricht ohne Zweifel dem geltenden Recht. Die heute überwundene alte Gesamthandlehre mochte, da dies einen erbrechtlichen Anfall der Mitgliedschaft in einer Erbengemeinschaft vermied, erleichtert mit der Feststellung aufatmen, man müsse sich bezüglich des Gesellschaftsvermögens nicht mit einer unwillkommenen Verschachtelung unterschiedlicher Gesamthandvarianten (der Gesamthandsgesellschaft und der Erbengemeinschaft) herumschlagen.37 In der Perspektive des Erbrechts aber konnte die Rechtsfigur einer “Sondererbfolge” verstören: Lässt das Erbrecht und lässt die den Nachlass im Ganzen erfassende erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge eine solche Teilung der Mitgliedschaft als eines (!) Nachlassgegenstands zu?
Eine dem Ei des Kolumbus gleichende Problemlösung bot Werner Flume an:38 Nur weil sie im Fall des Todes zum Zuge komme, müsse man sich durch die Nachfolgeklausel nicht zu einer erbrechtlichen Deutung des Vorgangs drängen lassen. Es handle sich vielmehr um den außergewöhnlichen Fall eines auf den Tod aufschiebend bedingten verfügenden Vertrags zugunsten eines Dritten:39 Der einem (Mit-)Erben gebührende Gesellschaftsanteil falle diesem nicht aufgrund der erbrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes zu (§ 1922 BGB), sondern zugleich mit der Erbfolge kraft lebzeitigen Rechtsgeschäfts, nämlich der Nachfolgeklausel! Die Luzidität dieser verblüffenden Erklärung des Vorgangs war nicht zu verkennen, ebenso aber auch ein Zug rechtsdogmatischer Roheit. Flume wurde entgegengehalten, dass dem geltenden Vertragsrecht ein verfügender Vertrag zugunsten eines Dritten fremd sei,40 und warum sollte nicht das Erbrecht selbst aus der Zwickmühle heraushelfen? Zu bedenken war schließlich auch, dass dasselbe Problem auftritt, wenn ein Kommanditist mehrere Erben hinterlässt, die nach § 177 HGB ganz ohne gesellschaftsvertragliche Nachfolgeklausel fortführungsberechtigt sind, und zwar ebenfalls außerhalb der Erbengemeinschaft in sog. Sondererbfolge. Peter Ulmer sah den durch die Nachfolgeklausel möglich gemachten Erwerb als eine erbrechtliche, wenngleich durch Gesellschaftsrecht modifizierte
4. Mitgliedschaft und Testamentsvollstreckung
Mit der nun angeschnittenen Frage – sind Personengesellschaftsanteile der Verwaltungstestamentsvollstreckung zugänglich? – ging Peter Ulmer in einer durch und durch grundsätzlichen, teils geradezu doktrinären, Weise zu Werke. Er machte daraus einen Lackmustest im Recht der Mitgliedschaft. Ist die einem (Mit-)Erben im Todesfall individuell zufallende Mitgliedschaft Nachlassgegenstand, und kann sie der erbrechtlichen Herrschaftsmacht eines Testamentsvollstreckers unterworfen werden? Der Bundesgerichtshof hatte die Frage im Jahr 1957 unentschieden gelassen.43 In der sich anschließenden durchaus hitzigen Diskussion44 exponierte sich Peter Ulmer mit der These, der vererbte Personengesellschaftsanteil sei, obschon kraft Erbrechts übergegangen, kein Nachlassgegenstand und damit einer Dauertestamentsvollstreckung a limine unzugänglich.45 Diese handfeste These traf in das Herz der Vertragsgestaltungspraxis bei Personengesellschaften.46 Durchgesetzt hat sie sich nicht.47 Doch wäre es nicht nach Peter Ulmers Natur gewesen, hätte er sich nicht um die Überwindung der vor der Testamentsvollstreckung aufgetürmten Hindernisse gekümmert. Wie nur wenige andere hat er sich um kautelarjuristische Ersatzlösungen, z.B. um postmortale Bevollmächtigungen und Verfügungsermächtigungen bemüht,48 die Aufnahme nicht nur in seine, sondern in viele eingeführte Kommentare und Handbücher fanden.49
Gleichwohl blieb die Rechtsunsicherheit groß. Ob nur Kommanditanteile oder auch Anteile unbeschränkt haftender Gesellschafter der Verwaltungs-
In einer Grundsatzentscheidung von 1989 (BGHZ 108, 187 = DNotZ 1990, 183 m. Anm. Reimann) hat auch der Bundesgerichtshof viele doktrinäre Hemmnisse der Rechtsfortbildung beseitigt und die Dauertestamentsvollstreckung am Kommanditanteil in weitem Umfang zugelassen. Die beiden Leitsätze des Urteils lauten:
“a) Ist für einen Kommanditanteil Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, dann kann der Testamentsvollstrecker grundsätzlich die mit der Beteiligung verbundenen Mitgliedschaftsrechte ausüben. Einschränkungen können sich insbesondere daraus ergeben, daß der Testamentsvollstrecker nicht befugt ist, den Erben persönlich zu verpflichten.
b) Den durch die Vererbung eines Kommanditanteils eintretenden Gesellschafterwechsel hat, wenn Testamentsvollstreckung angeordnet ist, der Testamentsvollstrecker zum Handelsregister anzumelden.”
Peter Ulmer hat, selbstverständlich auf eigenen Vorarbeiten aufbauend, das mit diesem BGH-Beschluss Erreichte in der Neuen Juristischen Wochenschrift aufbereitet und auf noch offene Detailfragen hingewiesen.51 Für ihn endete damit ein über zwanzig Jahre geführter Dialog mit der Rechtsprechung und einer von Jahr zu Jahr angewachsenen Literatur. Kein wissenschaftlicher Autor wird in dem historisch gewordenen Beschluss so intensiv zitiert wie er.
IV. Zur Einheitlichkeit der Mitgliedschaft
Vor kaum mehr als 20 Jahren – nämlich 2003, im Jahr seiner Festschrift – fasste Peter Ulmer noch einmal ein Grundlagenthema aus dem Recht der Mitgliedschaft bei Personengesellschaften ins Auge, das ich im Rahmen des hier entworfenen Gesamtbilds gerade unter dem Eindruck der aktuellen MoPeG-Diskussion nicht auslassen möchte. Charakteristisch für den mit der Modernisierung des Personengesellschaftsrechts verbundenen Fortschrittsglauben scheint mir nämlich die aus einem druckfrischen Standardwerk ablesbare These, die Mitgliedschaft sei “im Ausgangspunkt bei allen verbandsrechtlich ver-
Der Sturm auf die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft bei Personengesellschaften ist damit vorerst abgewehrt, und wie wir vielleicht alle wissen, richtet
V. Rückblick und Ausblick
Als wir im Januar gemeinsam den Tod Peter Ulmers in der Peterskirche betrauerten, habe ich sein Gelehrtenleben als einen Beweis dafür gedeutet, dass es sie noch gibt: die großen Gelehrten und Herrscher über eine ganze Disziplin. Für heute habe ich mir vorgenommen, mein Referat nicht ohne Wiederholung dieses Gedankens zu beschließen. Bei der Befassung mit meinem heutigen Stoff kam mir die Kontrollfrage in den Sinn, woran man denn solche Größe erkennt. Zu ihr gehört sicherlich, dass ein Gelehrter unübersehbar aus dem Kreis seiner Kollegen herausragt. Hinzukommen muss aber, dass seine Persönlichkeit so tief in den sie umgebenden Strom eintaucht, dass dieser ohne das Zutun dieses Gelehrten nicht wesensmäßig erfassbar wäre. Peter Ulmer zeichnete sich in der einen wie in der anderen Hinsicht aus, und er wusste darum. Als selbstbewusster Meister unseres Fachs vermochte er mit der ihm zufallenden Anerkennung – ja: Bewunderung! – souverän und ohne kokette Bescheidenheit umzugehen. Das Gesellschaftsrecht unserer Zeit wäre ohne sein Zutun nicht, was es ist. Sein Werk hat Bestand.
* | Dr. iur. Dr. h.c. mult., Professor der Bucerius Law School in Hamburg. |
1 | Zuerst in: Großkommentar HGB, 3. Aufl. Bd. II, 1971 und 1973; sodann in: Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl. 1975 ff. |
2 | Dazu schon der Hinweis bei Karsten Schmidt, ZHR 188 (2024) 2, 3. |
3 | In: Habersack et al., FS Ulmer, 2003, S. 1423 ff. |
4 | Ulmer, Welche gesetzgeberischen Maßnahmen empfehlen sich zum Schutze des Endverbrauchers gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formularverträgen? in: Verhandlungen der 50. DJT Bd. II, 1974, S. H8–H44. |
5 | Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 1977; zuletzt AGB-Recht, 13. Aufl. 2022. |
6 | Ulmer in: MünchKommBGB, 1. Aufl. 1980; fortgeführt bei MünchKommBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2024. |
7 | Gesetz vom 10. 8. 2021, BGBl. I (2021), S. 3436. |
8 | In diesem Sinne z.B. Windbichler/Bachmann, Gesellschaftsrecht, 25. Aufl. 2024, § 2 Rdn. 84, § 13 Rdn. 11; Bachmann in: Deckenbrock et al., FS Henssler, 2023, S. 769 ff. |
9 | So bereits Karsten Schmidt, ZHR 185 (2021) 16, 28 m.w.N. |
10 | Vgl. nur Ulmer, AcP 198 (1998) 113, 119 ff. |
11 | Anders noch Schulze-Osterloh, Das Prinzip der gesamthänderischen Bindung, 1972, S. 14 ff., 29 ff., 278; es ist dies der wohl letzte groß angelegte Versuch, Miteigentum und Gesamthandsberechtigung in einem konsistenten Modell gemeinschaftlichen Habens zu versöhnen. |
12 | Vgl. nur Düringer/Hachenburg/Flechtheim, HGB, 3. Aufl. 1932, Allg. Einl. Rdn. 26, § 130 Rdn. 6. |
13 | Dazu auch noch Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2006, § 6 IV 4, S. 65 f.; distanziert aber schon BGHZ 44, 229, 231 = NJW 1966, 499, 500. |
14 | RGZ 83, 312, 314 f.; 128, 172, 176; RG LZ 1914, 1380; KG JW 1934, 2699; unentschieden Schulze-Osterloh (Fn. 11), S. 91 f. |
15 | Formulierung bei Habersack/Schäfer, Das Recht der oHG, 2. Aufl. 2019, § 105 HGB Rdn. 288. |
16 | Zur Interessenlage Habersack/Schäfer (Fn. 15), § 105 HGB Rdn. 293. |
17 | Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 19 I 3 (S. 549 f.), § 21 V 1 (S. 645 ff.); Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und sonstiges Recht, 1996, S. 21 ff.; Lutter, AcP 180 (1980) 84, 101 f.; scharf abl. zuletzt wieder Beuthien, ZGR 2024, 549 ff.; vgl. schon dens. in: Fleischer et al., FS Wiedemann, 2002, S. 755, 758 ff.; abl. auch Hadding in: Pleyer et al., FS Reinhardt, 1972, S. 249 ff., 255 ff. |
18 | Vgl. Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, S. 39, 44 ff.; Karsten Schmidt (Fn. 17), § 45 III 2 (S. 1321 ff.); im Ergebnis auch Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts, 1970, S. 370 ff. (Analogie zu § 15 GmbHG). |
19 | Zu diesem Huber (Fn. 18), S. 145 ff. |
20 | Flume, Die Personengesellschaft, 1977, § 17 I (S. 346); Karsten Schmidt (Fn. 17), § 45 III (S.1321 ff.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht II, 2004, § 5 I 21 (S. 424). |
21 | Auf kaum noch nachvollziehbares Unverständnis stieß ungeachtet des § 124 HGB a.F. beispielsweise der Vortrag des Verf. über “Die Personengesellschaft als Rechtsträger”, in: Personengesellschaft und Bilanzierung, Vorträge und Diskussionen, IDW-Symposion “Personengesellschaften”, 1989, S. 41 ff. |
22 | Charakteristisch und facettenreich vor allem die selbstgewisse Verteidigung der traditionellen Lehre bei Zöllner, Rechtssubjektivität der Personengesellschaften? in: FS Gernhuber, 1993, S. 563 ff.; ders. in: Hönn et al., FS Kraft, 1998, S. 701 ff. (nur ein Kommunikationsproblem). |
23 | Karsten Schmidt, JR 1977, 177 ff. |
24 | Vgl. Fn. 23. |
25 | Das galt auch für den Vollzug der Pfändung und Überweisung; vgl. BGHZ 116, 222, 229 f. = NJW 1992, 830, 832; Stöber/Rellermeyer, Forderungspfändung, 17. Aufl. 2020 Rdn. E 117 ff.; Karsten Schmidt (Fn. 17), § 45 IV 3 (S. 1328); MünchKommBGB/Schäfer (Fn. 6), § 721 Rdn. 44, § 726 Rdn. 12. |
26 | Zusammenfassend Wiedemann, (Fn. 20), § 5 II 2 b bb (S. 450); vgl. allerdings vorübergehend Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 859 Rdn. 4; siehe auch BGHZ 116, 222, 229 = NJW 1992, 830, 832. |
27 | Vgl. MünchKommBGB/Ulmer, 3. Aufl. 1997, § 725 Rdn. 7. |
28 | Flume (Fn. 20), § 17 Fn. 39e (S. 357). |
29 | Vgl. Karsten Schmidt (Fn. 17), S. 1320 ff.; Wiedemann II (Fn. 20), § 5 II 1 c; MünchKommHGB/Fleischer, 5. Aufl. 2022, § 105 Rdn. 457 ff. |
30 | Jetzt zusammenfassend MünchKommBGB/Schäfer (Fn. 6), § 711 Rdn. 44. |
31 | Hueck, Das Recht der oHG, 4. Aufl. 1971, § 28 (S. 401 ff.); ders., Gesellschaftsvertrag und Erbrecht, DNotZ 1952, 550 ff.; ders., Entscheidungsanmerkung, JZ 1954, 505. |
32 | Siebert, Gesellschaftsvertrag und Erbrecht bei der oHG, 3. Aufl. 1958. |
33 | Wiedemann, Übertragung (Fn. 18). |
34 | Wiedemann, Gesellschaftsrecht II (Fn. 20), § 5 III 2 (S. 472). |
35 | Vgl. zu diesen Folgen der Nachfolgeklausel Windbichler/Bachmann (Fn. 8), § 10 Rdn. 65; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht II (Fn. 20), § 5 III 1 (S. 463): “Sonderstube im erbrechtlichen Haus”. |
36 | Dazu Grunewald/Müller, Gesellschaftsrecht, 12. Aufl. 2024, § 1 Rdn. 161 f.; Schäfer, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl. 2023, § 9 Rdn. 34 f.; Karsten Schmidt (Fn. 17), § 45 V 4 (S. 1138 ff.); Wiedemann, Gesellschaftsrecht II (Fn. 20), § 5 III 2 b (S. 471 ff.); Windbichler/Bachmann (Fn. 8), § 10 Rdn. 64 ff. |
37 | Vgl. zur Verschachtelung von Gesamthandsgemeinschaften Schulze-Osterloh in: Hefermehl et al., FS Harry Westermann, 1974, S. 5 ff. |
38 | Flume (Fn. 20), § 18 II (S. 379 ff.); zuvor bereits in: Rob. Fischer et al., FS Schilling, 1973, S. 23 ff. |
39 | Flume (Fn. 20), § 18 II 2 (S. 386 ff.). |
40 | Vgl. etwa BGHZ 68, 225, 231 = NJW 1977, 1339, 1341; Huber (Fn. 18), S. 454. |
41 | Ulmer, ZHR 146 (1982) 555 ff.; so auch MünchKommBGB/Leipold, 9. Aufl. 2022, § 1922 Rdn. 123 ff.; vgl. auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht II (Fn. 20), § 5 III 1 (S. 463): “Sonderstube im erbrechtlichen Haus.” |
42 | Karsten Schmidt (Fn. 17), § 45 V 4 b (S. 1341 f.). |
43 | BGHZ 24, 106, 113 = NJW 1957, 1026, 1028. |
44 | Überblick bei MünchKommBGB/Leipold (Fn. 41), § 1922 Rdn. 134 ff.; Zimmermann, ebd., § 2205 Rdn. 14 ff. |
45 | Ulmer, ZHR 146 (1982) 561 f.; ders., NJW 1984, 1496; ebenso Koch, NJW 1983, 1763. |
46 | Vgl. statt vieler Bochmann et al./Holler, MünchHdbGesR IX, 6. Aufl. 2021, § 33 Rdn. 31 ff. |
47 | Karsten Schmidt (Fn. 17), § 45 V 8 b (S. 1352 f.); MünchKommBGB/Leipold (Fn. 41), § 1922 Rdn. 133. |
48 | Grundlegend Ulmer, ZHR 146 (1982) 555 ff. |
49 | Exemplarisch Gummert/Schäfer/Klein/Lindenmeier/Krause, MünchHdbGesR II, 6. Aufl. 2024, § 42 Rdn. 44 ff. |
50 | Überblick bei Bochmann et al./Holler, MünchHdbGesR IX (Fn. 46), § 33 Rdn. 185 ff. |
51 | Ulmer, NJW 1990, 73. |
52 | Koch/Könen, Personengesellschaftsrecht, 2024, § 708 BGB Rdn. 21 unter Berufung u.a. auf das Werk des Verfassers. |
53 | So auch die von Könen zitierte Passage bei Karsten Schmidt (Fn. 17), § 9 I 2 a (S. 548). |
54 | Ulmer, ZHR 167 (2003) 103 ff. |
55 | Vgl. stattdessen Karsten Schmidt, ZIP 2014, 493 ff.; gegen Priester, ZIP 2014, 63 ff. |
56 | Lamprecht, Die Zulässigkeit der mehrfachen Beteiligung an einer Personengesellschaft, 2002, passim; so auch m.w.N. MünchKommHGB/Grunewald, 5. Aufl. 2022, § 161 Rdn. 4. |
57 | Ulmer, ZHR 167 (2003) 103, 116. |
58 | Übereinstimmend auch am Vorabend des MoPeG Habersack/Schäfer (Fn. 15), § 105 Rdn. 72; MünchKommHGB/Fleischer (Fn. 29), § 105 Rdn. 248. |
59 | Vgl. Koch/Könen (Fn. 52), § 708 BGB Rdn. 23. |
60 | BGH, MittBaynot. 2024, 475 m. Anm. Klinger. |