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ZHR 174 (2010), 2-11
Habersack 

VorstAG und mitbestimmte GmbH – eine unglückliche Beziehung!

I. Das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31. 7. 20091 ist mit heißer Nadel gestrickt. Es geht auf einen Fraktionsentwurf vom 17. 3. 2009 zurück,2 der zwar innerhalb der Koalitionsarbeitsgruppe „Managementvergütung“ intensiv und durchaus kontrovers beraten wurde, der freilich nicht in den Genuss ministerieller Vorbereitung gelangt ist; die nicht wenigen Änderungen, die sich in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 17. 6. 2009 finden,3 sind sodann vom Deutschen Bundestag im Rahmen der zweiten und dritten Lesung am 18. 6. 2009 aufgegriffen worden. Sorgt im Allgemeinen schon ein hektisches Gesetzgebungsverfahren für handwerkliche Mängel, so gilt dies in Sonderheit, wenn das Gesetz hochpolitischer Natur ist und zudem bezweckt, der interessierten Öffentlichkeit zu signalisieren, dass der Gesetzgeber die Zeichen der Zeit erkannt und es sich zur Aufgabe gemacht habe, Missständen entgegenzutreten. Kommt zu alledem noch die Einbettung des Gesetzgebungsverfahrens in eine auf internationaler Ebene geführte Diskussion hinzu,4 so sind Ungereimtheiten und Merkwürdigkeiten vorprogrammiert.

All dies trifft auf das VorstAG zu. Einige „Kostproben“ gefällig? In den Materialien wird das zunächst verfolgte Vorhaben, dem § 116 AktG einen neuen Satz 4 anzufügen, demzufolge der Aufsichtsrat den die angemessene Vorstandsvergütung übersteigenden Mehrbetrag als Mindestschaden schulden sollte, unter Hinweis darauf fallengelassen, dass eine solche Regelung entbehrlich sei, da sie, soweit in ihr ein Verbot des Vorteilsausgleichs zum Ausdruck gebracht werden solle, lediglich die ohnehin bestehende Rechtslage des § 249 ZHR 174 (2010) S. 2 (3)BGB wiederholen würde;5 das Gegenteil ist bekanntlich der Fall.6 Symbolischen Charakter hat die Neuregelung in § 116 S. 3 AktG, wonach die Mitglieder des Aufsichtsrats „namentlich zum Ersatz verpflichtet [sind], wenn sie eine unangemessene Vergütung festsetzen (§ 87 Abs. 1)“. Die ihrerseits überflüssige, zudem auf halbem Weg stehen bleibende Vorschrift des § 116 S. 2 AktG7 wird damit durch eine Vorschrift gleichen Formats ergänzt – dass die Mitglieder des Aufsichtsrats auf Schadensersatz haften, wenn sie ihren Pflichten aus § 87 Abs. 1 AktG nicht nachkommen, folgt bereits aus § 116 S. 1 AktG und bedarf keiner Hervorhebung, und der neue § 116 S. 3 AktG dürfte wohl kaum zum Ausdruck bringen wollen, dass die Aufsichtsratsmitglieder nicht haften sollen, wenn sie zwar nicht gegen § 87 Abs. 1 AktG, wohl aber gegen § 87 Abs. 2 AktG verstoßen.8 Zumindest in sprachlicher Hinsicht bemerkenswert ist § 93 Abs. 2 S. 3 AktG, wonach sich der nunmehr obligatorische Selbstbehalt auf „mindestens 10 Prozent des Schadens bis mindestens zur Höhe des Eineinhalbfachen der festen jährlichen Vergütung des Vorstandsmitglieds“ zu belaufen hat.9 Als „zahnloser Tiger“ kommt § 120 Abs. 4 AktG daher, wonach die Hauptversammlung zwar über die Billigung des Systems zur Vergütung der Vorstandsmitglieder entscheiden kann, der Beschluss indes weder Rechte noch Pflichten begründet und auch nicht nach § 243 AktG anfechtbar ist;10 mögen auch die Publikumsgesellschaften, der Erwartungshaltung ihrer Aktionäre gehorchend, den Entscheid über das Vergütungssystem auf die Tagesordnung setzen, so dürfte es doch im Allgemeinen nur darum gehen, den „Unterhaltungswert“ der Hauptversammlung zu erhöhen – getreu dem Motto „Schön, dass wir mal drüber gesprochen haben“.

II. 1. All diese und weitere Unvollkommenheiten des VorstAG wären nicht weiter erwähnenswert, sorgte das Reformgesetz nicht an anderer Stelle für erhebliche Rechtsunsicherheit und Verwirrung. Die Rede ist von der GmbH im Allgemeinen und der dem MitbestG unterliegenden GmbH im Besonderen.

Zwar ist die Ausgangslage bei der über einen fakultativen Aufsichtsrat verfügenden GmbH sowie bei der drittelmitbestimmten GmbH recht eindeutig; bei beiden verbleibt die Personalkompetenz bekanntlich bei der Gesellschafterversammlung, weshalb § 52 Abs. 1 GmbHG, § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG – ZHR 174 (2010) S. 2 (4)anders als § 31 Abs. 1 S. 1 MitbestG11 – nicht auf §§ 84, 85 AktG verweisen und in der Folge auch §§ 87 Abs. 1, Abs. 2, 107 Abs. 3 S. 3 AktG unanwendbar sind.12 Insbesondere die weit über 300 quasi-paritätisch mitbestimmten Gesellschaften13 stehen indes vor der Frage, ob sie den Neuregelungen in §§ 87 Abs. 1, 2 und 107 Abs. 3 S. 3 AktG unterliegen, ob also die Vergütung der Geschäftsführer künftig den neu gefassten Maßstäben des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG14 zu genügen hat und nach Maßgabe des § 87 Abs. 2 AktG herabgesetzt werden kann, ferner, für die Praxis weitaus bedeutsamer, ob die „Aufgaben nach § 87 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2“ künftig durch den Gesamtaufsichtsrat wahrzunehmen sind und deshalb nicht einem Ausschuss zur Beschlussfassung überwiesen werden können. Das Ausmaß der Verunsicherung kommt im Fazit eines Zeitschriftenbeitrags zum Ausdruck, in dem es heißt, dass das Delegationsverbot des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG zwar richtiger Ansicht zufolge auf die dem MitbestG unterliegende GmbH unanwendbar sei, in der Praxis jedoch von der Möglichkeit der Delegation jedenfalls vorerst kaum noch Gebrauch gemacht werde, da bei Geltung des Delegationsverbots die Vergütungsentscheidung des Aufsichtsratsausschusses unwirksam wäre.15

2. Auslöser der Debatte sind, wie erwähnt, §§ 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 31 Abs. 1 S. 1 MitbestG, wonach sich die innere Ordnung, die Beschlussfassung sowie die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats der mitbestimmten GmbH nach den §§ 27 bis 29 und 31 und 32 MitbestG und im Übrigen nach § 90 Abs. 3, 4 und 5 S. 1 und 2, §§ 107 bis 116, 118 Abs. 3, 125 Abs. 3 und 4 und den §§ 170, 171 und 268 Abs. 2 AktG richten und die Bestellung der Geschäftsführer der mitbestimmten GmbH und der Widerruf der Bestellung vorbehaltlich des § 31 Abs. 2 bis 5 MitbestG nach §§ 84, 85 AktG zu erfolgen haben. Die Frage, ob § 87 Abs. 1, 2 AktG und das hierauf bezogene Delegationsverbot des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG auf die mitbestimmte GmbH Anwendung finden, hat, wiewohl das VorstAG erst vor wenigen Monaten verkündet worden ist, im Schrifttum bereits zahlreiche Stellungnahmen hervorgerufen. Das Meinungsbild ist freilich recht diffus. Zwar herrscht die Ansicht vor, dass § 87 AktG, soweit er materielle Kriterien für die Vergütungsfestsetzung statuiert und die Herabsetzung der Vergütung ermöglicht und gebietet, auf die mitbestimmte GmbH unanwendbar ist; im Zusammenhang mit der ungleich bedeutsameren ZHR 174 (2010) S. 2 (5)Frage der Zuständigkeit für die Vergütungsfestsetzung stehen hingegen den Stimmen, die sich gegen die Anwendbarkeit der §§ 87 Abs. 1, 107 Abs. 3 S. 3 AktG auf die mitbestimmte GmbH aussprechen, nicht weniger zahlreiche Stimmen gegenüber, die sich für die Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrats aussprechen.

Im Einzelnen ist zunächst Seibert anzuführen, der klar und unmissverständlich betont, dass die Neuregelung des § 87 AktG auf die GmbH auch nicht über § 52 Abs. 1 GmbHG, § 25 MitbestG und § 1 DrittelbG zur Anwendung gelange; dass die vorgenannten Vorschriften unter anderem auf die §§ 107, 116 AktG verweisen, die in ihrer durch das VorstAG geänderten Fassung auf § 87 AktG Bezug nehmen, führe zu keinem anderen Ergebnis.16 Im gleichen Sinne äußern sich Menke und Greven.17 Döring/Grau sprechen sich zwar gleichfalls gegen die Anwendbarkeit des § 87 AktG aus; hingegen soll infolge der Verweisung des § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 GmbHG auf den – nunmehr geänderten – § 107 Abs. 3 S. 3 AktG das Delegationsverbot auch insoweit zur Anwendung kommt, als die Aufgaben nach der – ihrer Ansicht auf die mitbestimmte GmbH unanwendbaren (!) – Vorschrift des § 87 AktG in Frage stehen.18 Zum genau umgekehrten Ergebnis gelangen Baeck/Götze/Arnold; sie sprechen sich für die Anwendbarkeit des § 87 AktG und gegen die Anwendbarkeit des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG auf die mitbestimmte GmbH aus.19

Hoffmann-Becking/Krieger neigen zu der Annahme, dass die Aufnahme des § 87 AktG in den Katalog des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG bei der mitbestimmten GmbH ins Leere gehe.20 Bei näherem Hinsehen, so Hoffmann-Becking/Krieger, sei diese Auffassung allerdings „nicht zweifelsfrei angesichts des Zwecks des Delegationsverbots und der durchgängigen Gleichbehandlung des nach dem MitbestG mitbestimmten Aufsichtsrats in GmbH und AG“. Richtig sei, so Hoffmann-Becking/Krieger, dass sich bei der mitbestimmten GmbH die materiellen Kriterien für die Bemessung der Geschäftsführervergütung nicht nach § 87 Abs. 1 AktG, sondern aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Aufsichtsrats ergeben. Bei der Aufnahme des § 87 Abs. 1 AktG in den Katalog des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG gehe es indes nicht um die Anwendung der materiellen Kriterien des § 87 Abs. 1 AktG, sondern um die Zuständigkeitsfrage, also darum, welches Organ über die Vergütung entscheidet. Die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für Vergütungsentscheidungen werde freilich nicht in § 87 Abs. 1 AktG, sondern in § 84 Abs. 1 S. 5 AktG, § 31 MitbestG begründet. Um das Delegationsverbot auch auf die paritätisch mitbestimmte GmbH zu erstrecken, müsste man also argumentieren, dass der Gesetzgeber ZHR 174 (2010) S. 2 (6)sich durch die Nennung des § 87 AktG nur vergriffen oder missverständlich ausgedrückt habe und er nicht die materielle Bemessungsnorm des § 87 AktG, sondern die vorgelagerte Kompetenzzuweisung meine. Dies wiederum könne auf eine unzulässige Korrektur der gesetzgeberischen Entscheidung hinauslaufen, weshalb sich die Frage nach der Geltung des Delegationsverbots der §§ 107 Abs. 3 S. 3, 87 Abs. 1 AktG für die mitbestimmte GmbH „derzeit nicht mit Gewissheit beantworten“ lasse.21

Für vollumfängliche Geltung der §§ 87, 107 Abs. 3 S. 3 AktG für die mitbestimmte GmbH haben sich Gaul/Janz ausgesprochen.22 Die Geltung des Delegationsverbots des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG soll zur Folge haben, „dass der Aufsichtsrat als Plenum über die Anstellung und die Bedingungen des Anstellungsvertrags einschließlich ergänzender Vereinbarungen zum Anstellungsvertrag (z.B. Change of Control-Klausel, betriebliche Altersversorgung, Retention Bonus) beschließen muss. Daher wird man den Vertrag in seiner Gesamtheit nebst etwaiger Änderungen zum Gegenstand einer Beratung und Beschlussfassung machen müssen“.23

III. 1. Dem überwiegenden Schrifttum kann darin zugestimmt werden, dass § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG jedenfalls keinen unmittelbaren Verweis auf § 87 Abs. 1, 2 AktG enthält. Allerdings verweist § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG auf § 116 AktG und damit auch auf dessen neuen Satz 3. Hieraus ließe sich möglicherweise die Anwendbarkeit des § 87 AktG auf die mitbestimmte GmbH herleiten, ist doch auch in anderem Zusammenhang anerkannt, dass § 25 Abs. 1 S. 1 MitbestG eine dynamische Verweisung auf die von ihm genannten Vorschriften enthält, so dass diese in ihrer jeweiligen Fassung zur Anwendung gelangen;24 dies gilt zumal vor dem Hintergrund, dass § 116 S. 3 AktG ohnehin rein deklaratorischen – und allenfalls appellierenden – Charakter hat.25 Überzeugend wäre eine solche Argumentation freilich schon deshalb nicht, weil die Vorschriften des § 116 S. 1, 3 AktG als Sanktionsnormen an die Verletzung von Verhaltenspflichten anknüpfen und nicht ihrerseits Verhaltenspflichten begründen.26 Nach § 116 AktG haftet das Aufsichtsratsmitglied mithin nur insoweit auf Schadensersatz, als es anderweitig begründete Verhaltenspflichten verletzt. Übertragen auf die hier interessierende Problematik bedeutet dies, dass § 116 S. 1, 3 AktG die Anwendbarkeit des § 87 AktG nicht begründet, sondern voraussetzt, so dass der Verweis in § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG auf § 116 AktG hinsichtlich des § 87 AktG ins Leere geht. Evident ist dies hinsichtlich der besonderen Vorschriften des § 87 Abs. 1 S. 2 und 3 ZHR 174 (2010) S. 2 (7)AktG betreffend börsennotierte Gesellschaften, die auf die mitbestimmte GmbH schon deshalb keine Anwendung finden können, weil die GmbH, mag sie mitbestimmt oder mitbestimmungsfrei sein, in keinem Fall börsennotiert ist. Nichts anderes gilt aber für § 87 Abs. 1 S. 1, 4, Abs. 2 AktG.

Die zu § 116 AktG getroffenen Feststellungen lassen sich im Übrigen auf § 107 Abs. 3 S. 3 AktG übertragen. Soweit danach die Aufgaben nach § 87 Abs. 1, 2 AktG nicht auf einen erledigenden Ausschuss übertragen werden können, vielmehr vom Gesamtaufsichtsrat wahrzunehmen sind, besagt dies – ungeachtet des Verweises in § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG auf § 107 Abs. 3 AktG – nichts hinsichtlich der Anwendbarkeit der in § 107 Abs. 3 S. 3 AktG in Bezug genommenen Vorschriften auf die mitbestimmte GmbH. Wie § 116 AktG ist vielmehr auch § 107 Abs. 3 S. 3 AktG eine „Annexnorm“, die die Anwendbarkeit der in ihr genannten Vorschriften nicht begründet, sondern voraussetzt.27 Dies schließt zwar nicht von vornherein die – auch von Hoffmann-Becking/Krieger für möglich gehaltene – Annahme aus, dass der Gesetzgeber in § 107 Abs. 3 S. 3 AktG nicht die materielle Bemessungsnorm des § 87 AktG, sondern die vorgelagerte Kompetenzzuweisung in § 84 Abs. 1 S. 5 AktG (die nach § 31 Abs. 1 MitbestG auch für die mitbestimmte GmbH Geltung beansprucht) meint.28 Indes: Selbst wenn man dem folgen wollte, ergäbe sich hieraus nur die Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrats, nicht hingegen die Geltung auch der materiellen Kriterien des § 87 Abs. 1 S. 1, 4 AktG.29

Sprechen somit Wortlaut und Systematik der § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG, §§ 87, 107 Abs. 3 S. 3, 116 AktG gegen die Geltung des § 87 AktG für die mitbestimmte GmbH, so findet diese Erkenntnis seine Bestätigung in der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Zwar enthält sich die Begründung zu dem Fraktionsentwurf noch einer Stellungnahme. Im Bericht des Rechtsausschusses heißt es indes im Rahmen der Begründung der Empfehlung zu § 87 Abs. 1 AktG:30

„Der Nachhaltigkeitsgedanke sollte grundsätzlich auch von nichtbörsennotierten Gesellschaften berücksichtigt werden; hier wird aber von einer ausdrücklichen Regelung abgesehen, da sonst Fragen zum Verhältnis zur GmbH und den Personenhandelsgesellschaften aufgeworfen würden und man es den Eigentümern überlassen kann, die richtigen Instrumente zu finden. Auch über die Verweisungen auf § 116 AktG bei der GmbH mit Aufsichtsrat wird der geänderte § 87 AktG nicht für die GmbH anwendbar.“

Dem lässt sich zwar nicht expressis verbis entnehmen, dass die Unanwendbarkeit des § 87 AktG auch für die quasi-paritätisch mitbestimmte GmbH gel¬ZHR 174 (2010) S. 2 (8)ten soll. In Betracht käme vielmehr auch eine Interpretation in dem Sinne, dass nur die mitbestimmungsfreie oder die dem Drittelbeteiligungsgesetz unterliegende GmbH angesprochen sei. Indes ergibt sich für diese Formen der GmbH die Unanwendbarkeit des § 87 AktG schon daraus, dass bei ihnen die Zuständigkeit für die Vergütung der Geschäftsführer bei der Gesellschafterversammlung liegt.31 Kann deshalb davon ausgegangen werden, dass die zitierte Passage aus der Begründung der Ausschussempfehlung auch auf die mitbestimmte GmbH gemünzt ist, so bleibt der Vorbehalt, dass die Aussage, § 87 AktG sei auf die GmbH unanwendbar, im gedanklichen Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsgebot des § 87 Abs. 1 S. 2 und 3 AktG steht. Doch lässt sich zumindest die bereits unter II. 2. a) erwähnte Aussage Seiberts, derzufolge die Neuregelung des § 87 AktG für die GmbH auch nicht über § 52 Abs. 1 GmbHG, § 25 MitbestG und § 1 DrittelbG Geltung beanspruchen könne, im Sinne einer vorsorglichen Ausräumung etwaiger Zweifel verstehen.32

Während Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung klar gegen die Anwendbarkeit des § 87 AktG auf die mitbestimmte GmbH sprechen, ergeben Sinn und Zweck dieser Vorschrift ein nicht völlig eindeutiges Bild. Das allgemeine Ziel des VorstAG besteht zunächst darin, „die Anreize in der Vergütungsstruktur für Vorstandsmitglieder in Richtung einer nachhaltigen und auf Langfristigkeit ausgerichteten Unternehmensführung zu stärken. Zugleich sollen die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats für die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung gestärkt und konkretisiert werden sowie die Transparenz der Vorstandsvergütung gegenüber den Aktionären und der Öffentlichkeit verbessert werden“.33 Was den Aspekt der Nachhaltigkeit und der Langfristigkeit betrifft, so findet er sich allerdings primär, wenn nicht gar ausschließlich in § 87 Abs. 1 S. 2 und 3 AktG geregelt, deren Anwendungsbereich nur börsennotierte Aktiengesellschaften umfasst und die deshalb ohnehin keinesfalls auf die mitbestimmte GmbH angewandt werden können. Das für sämtliche Aktiengesellschaften Geltung beanspruchende Angemessenheits- und Üblichkeitsgebot des § 87 Abs. 1 S. 1 AktG hingegen ließe sich seinem Sinn und Zweck nach durchaus auf die mitbestimmte GmbH erstrecken. Völlig zu Recht hat denn auch der II. Zivilsenat des BGH in seinem Grundsatzurteil vom 14. 11. 1983 ausgeführt, dass der Aufsichtsrat „auch in der mitbestimmten GmbH … auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet und deshalb gehalten [sei], ähnliche Grundsätze zu beachten, wie sie die §§ 87 – 89, insbesondere § 87 Abs. 1 AktG für das Anstellungsverhältnis der Vorstandsmitglieder aufstellen, mögen diese Vorschriften hier entsprechend anzuwen¬ZHR 174 (2010) S. 2 (9)den sein oder nicht“.34 Das GmbH-rechtliche Schrifttum versteht dies ganz überwiegend im Sinne einer Herleitung des Angemessenheitserfordernisses aus allgemeinen Grundsätzen, nämlich aus der Bindung der Mitglieder des Aufsichtsrats der GmbH an das wohlverstandene Interesse der Gesellschaft.35 Die vereinzelt befürwortete analoge Anwendung des § 87 AktG36 lässt sich denn auch nach Inkrafttreten des VorstAG nicht mehr aufrechterhalten; für die Analogie sprechende teleologische Erwägungen müssen nunmehr gegenüber den aus Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung herzuleitenden Erwägungen (die durchweg gegen die Anwendbarkeit des § 87 Abs. 1 AktG sprechen) zurücktreten.

2. Ist somit davon auszugehen, dass sich aus der durch § 107 Abs. 3 S. 3 AktG vermittelten Bezugnahme des § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG auf § 87 Abs. 1, 2 AktG nicht die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf die mitbestimmte GmbH herleiten lässt, so folgt hieraus allerdings nicht zwangsläufig auch die Unanwendbarkeit des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG selbst.37 Hoffmann-Becking/Krieger ist vielmehr im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, dass es bei der Aufnahme des § 87 Abs. 1 AktG in den Katalog des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG nicht um die Anwendung der materiellen Kriterien des § 87 Abs. 1 AktG, sondern um die Zuständigkeitsfrage geht, also darum, welches Organ über die Vergütung entscheidet, und dass die Zuständigkeit des Aufsichtsrats für Vergütungsentscheidungen nicht in § 87 Abs. 1 AktG, sondern in § 84 Abs. 1 S. 5 AktG, § 31 MitbestG begründet wird.38 Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass sich der Gesetzgeber durch die Nennung des § 87 AktG nur vergriffen oder missverständlich ausgedrückt habe und er nicht die materielle Bemessungsnorm des § 87 AktG, sondern die vorgelagerte Kompetenzzuwei¬ZHR 174 (2010) S. 2 (10)sung gemeint habe.39 Tatsächlich hat nämlich der Gesetzgeber nicht den gesamten Anstellungsvertrag, sondern nur die in § 87 Abs. 1 AktG genannten Bestandteile der anstellungsvertraglichen Regelung der Zuständigkeit des Gesamtaufsichtsrats unterstellt,40 um in einem deutlich über die Empfehlung in Ziffer 4. 2. 2 Deutscher Corporate Governance Kodex a.F. hinausgehenden Maße für Transparenz der Vergütungsfestsetzung zu sorgen und hierdurch die „Vergütungsverantwortung“ des Aufsichtsrats zu stärken.41 Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass die Vergütung den wesentlichen Inhalt des Anstellungsvertrags ausmacht, weshalb es sich nunmehr – soweit §§ 107 Abs. 3 S. 3, 87 Abs. 1 AktG anwendbar sind – aus praktischen Erwägungen empfehlen mag, den gesamten Vertrag und nicht nur die die Vergütung betreffenden Teile dem Plenum vorzulegen.42 Eine entsprechende Rechtspflicht besteht indes nicht; der Aufsichtsrat kann vielmehr so verfahren, dass die nicht vergütungsrelevanten Bestandteile des Anstellungsvertrags von einem Ausschuss festgesetzt werden. Dann aber hat sich der Gesetzgeber, soweit er in § 107 Abs. 3 S. 3 AktG auf § 87 Abs. 1 AktG verweist, nicht „vergriffen“, sondern bewusst und gezielt von einem Verweis auf § 84 Abs. 1 S. 5 AktG abgesehen.43 In der Folge ergibt sich aus der Unanwendbarkeit des § 87 Abs. 1 AktG auf die mitbestimmte GmbH, dass der Verweis auf diese Vorschrift in § 107 Abs. 3 S. 3 AktG ins Leere geht und deshalb auch § 107 Abs. 3 S. 3 AktG insoweit keine Anwendung auf die mitbestimmte GmbH finden kann. Anders verhielte es sich nur dann, wenn man für die mitbestimmte GmbH annehmen wollte, der Gesetzgeber habe in § 107 Abs. 3 S. 3 AktG nicht auf § 87 Abs. 1 AktG, sondern auf § 84 Abs. 1 S. 5 AktG verweisen wollen, dies freilich nicht hinsichtlich des Anstellungsvertrags in seiner Gesamtheit, sondern ausschließlich hinsichtlich der vergütungsrelevanten Bestandteile. Eine solche „korrigierende“ Auslegung des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG (in Verbindung mit § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 MitbestG) wäre indes nicht nur unter methodischen Gesichtspunkten problematisch. Ihr stünde vielmehr die Entstehungsgeschichte des VorstAG entgegen, aus der sich nun einmal ergibt, dass § 87 Abs. 1 AktG (und damit zugleich § 107 Abs. 3 S. 3 AktG) auf die mitbestimmte GmbH unanwendbar sein soll; dieser Wille des Gesetzgebers würde durch – partielle, nämlich auf die Vergütungsbestandteile des Vertrages beschränkte – „Umleitung“ des Ver¬ZHR 174 (2010) S. 2 (11)weises in § 107 Abs. 3 S. 3 AktG auf § 84 Abs. 1 S. 5 AktG in sein Gegenteil verkehrt.

IV. Nach allem finden §§ 87 Abs. 1, 2, 107 Abs. 3 S. 3 AktG auf die quasiparitätisch mitbestimmte GmbH keine Anwendung. Dies dürfte auch dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Umso bedauerlicher ist, dass dieser Wille nicht klar und eindeutig zum Ausdruck kommt und die gesetzliche Systematik ihren Teil zur erheblichen Verunsicherung der Praxis beiträgt.

Mathias Habersack

1

BGBl. I (2009), S. 2509.

2

Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 17. 3. 2009, BT-Drs. 16/12278.

3

BT-Drs. 16/13433.

4

Vgl. namentlich Empfehlung 2004/913/EG der Kommission vom 14. 12. 2004 zur Einführung einer angemessenen Regelung für die Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften, ABl. Nr. L 385/55; Empfehlung der Kommission vom 30. 4. 2009 zur Ergänzung der Empfehlungen 2004/913/EG und 2005/162/EG zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsennotierter Gesellschaften, ABl. Nr. L 120/28; zu weiteren Institutionen und deren Vorschlägen siehe die Nachweise bei Seibert, WM 2009, 1489.

5

Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 16/13433, S. 13.

6

Näher Marsch-Barner, ZHR 173 (2009) 723.

7

Zum unvollkommenen Charakter des § 116 S. 2 AktG und zur Herleitung der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder in Bezug auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 3 AktG siehe Begr. RegE, BT-Drs. 14/8769, S. 18; Habersack in: Goette/Habersack/Kalss (Hrsg.), Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., 2008, § 116 Rdn. 1, 52 ff.

8

Zu den sich aus § 87 Abs. 1, 2 AktG ergebenden Pflichten siehe Bauer/Arnold, AG 2009, 717ff.

9

Näher dazu Koch, AG 2009, 637 ff.

10

Näher dazu Fleischer/Bedkowski, AG 2009, 677ff.

11

Zur Zuständigkeit des GmbH-Aufsichtsrats nicht nur für Bestellung und Abberufung, sondern auch für Abschluss, Änderung und Aufhebung des Anstellungsvertrags siehe BGHZ 89, 48, 52.

12

Siehe dazu noch unter III. 1., ferner Greven, BB 2009, 2154, , 2157f.; Wachter, GmbHR 2009, 953, 957; Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121, 1124ff.

13

Zu Zahlen siehe Ulmer in: Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, 2. Aufl., 2006, Einl. MitbestG Rdn. 34.

14

Auf die GmbH von vornherein unanwendbar sind die Vorschriften des § 87 Abs. 1 S. 2 und 3 AktG betreffend börsennotierte Aktiengesellschaften, siehe noch unter III. 1.

15

Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121, 1127.

16

Seibert, WM 2009, 1489, 1490.

17

Menke, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. 9. 2009, Nr. 203, S. 21; Greven, BB 2009, 2154, , 2158.

18

Döring/Grau, DB 2009, 2139, 2140f.

19

Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121, 1123ff.

20

Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 77.

21

Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 78.

22

Gaul/Janz, GmbHR 2009, 959 ff., 962.

23

Gaul/Janz, GmbHR 2009, 959, 962f.

24

Vgl. am Beispiel der §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 S. 2 AktG Ulmer/Habersack in: Ulmer/Habersack/Henssler (Fn. 13), § 25 MitbestG Rdn. 117a.

25

Vgl. bereits unter I., ferner Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 80; Seibert, WM 2009, 1489, 1491.

26

Näher MünchKommAktG/Habersack (Fn. 7), § 116 Rdn. 16 ff., 29ff.

27

Vgl. Ulmer/Habersack in: Ulmer/Habersack/Henssler (Fn. 13), § 25 MitbestG Rdn. 131: keine Relevanz der auf §§ 59 Abs. 3, 314 Abs. 2, 3 AktG bezogenen Delegationsverbote für die mitbestimmte GmbH.

28

Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 78.

29

Zur Frage der Zuständigkeit siehe noch unter III. 2.

30

BT-Drs. 13/13433, S. 16.

31

Vgl. OLG Frankfurt/M. GmbHR 2004, 550, 554; näher Greven, BB 2009, 2154, , 2156ff.; speziell zur drittelmitbestimmten GmbH siehe Habersack in: Ulmer/Habersack/Henssler (Fn.13), § 1 DrittelbG Rdn. 34.

32

Seibert, WM 2009, 1489, 1490.

33

Begr. des Fraktionsentwurfs, BT-Drs. 16/12278, S. 1.

34

BGHZ 89, 48, 57.

35

Raiser/Veil, Mitbestimmungsgesetz und Drittelbeteiligungsgesetz, 5. Aufl., 2009, § 25 Rdn. 87; Paefgen in: Ulmer/Habersack/Winter (Hrsg.), GmbHG, 2006, § 35 Rdn. 182; Schneider/Sethe in: Scholz (Hrsg.), GmbHG, 10. Aufl., 2006, § 35 Rdn. 218; Koppensteiner in: Rowedder/Schmidt-Leithoff (Hrsg.), GmbHG, 4. Aufl., 2002, § 35 Rdn. 98; wohl auch Zöllner/Noack in: Baumbach/Hueck (Hrsg.), GmbHG, 18. Aufl., 2006, § 35 Rdn. 183; a.A. Ulmer/Habersack in: Ulmer/Habersack/Henssler (Fn. 13), § 31 MitbestG Rdn. 40; tendenziell auch Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff (Hrsg.), GmbHG, 17. Aufl., 2009, Anh. § 6 Rdn. 31.

36

Siehe die Nachweise in Fn. 35.

37

Für Anwendbarkeit der §§ 87 Abs. 1, 107 Abs. 3 S. 3 AktG Gaul/Janz, GmbHR 2009, 959ff., 962; für Anwendbarkeit des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG und gegen Anwendbarkeit des § 87 Abs. 1 AktG Döring/Grau, DB 2009, 2139, 2140f.; tendenziell auch Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 78; umgekehrt – für Anwendbarkeit des § 87 Abs. 1 AktG und gegen Anwendbarkeit des § 107 Abs. 3 S. 3 AktG – Baeck/Götze/Arnold, NZG 2009, 1121, 1123ff.; gegen Anwendbarkeit von §§ 87 Abs. 1, 107 Abs. 3 S. 3 AktG Greven, BB 2009, 2154, , 2159; wohl auch Seibert, WM 2009, 1489, 1490.

38

Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 78.

39

Dies immerhin in Betracht ziehend, die Frage indes offen lassend Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 78.

40

Seibert, WM 2009, 1489, 1491; Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 73; unzutr. Gaul/Janz, GmbHR 2009, 959, 962.

41

Begründung des Fraktionsentwurfs, BT-Drs. 16/12278, S. 6.

42

Hoffmann-Becking/Krieger, NZG 2009, Beilage zu Heft 26, Rdn. 73.

43

Deutlich Seibert, WM 2009, 1489, 1491: „Dabei geht es nicht um den Anstellungsvertrag insgesamt, denn § 107 AktG verweist nur auf § 87 Abs. 1 und 2 AktG; es geht lediglich um die Entscheidung über die Zusage oder Herabsetzung der Vergütung. Der Anstellungsvertrag im Übrigen kann weiterhin abschließend von einem Ausschuss geschlossen werden.“

 
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