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ZHR 178 (2014), 629-637
Marsch-Barner 

Zusagen des Vorstands gegenüber den Aktionären

In der Praxis der Hauptversammlungen, insbesondere der börsennotierten Aktiengesellschaften, kommt es immer wieder vor, dass der Vorstand den Aktionären vor oder während der Hauptversammlung Zusagen macht. Gemeint sind vor allem Äußerungen zu Maßnahmen, die sich auf die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre beziehen, wie z.B. die Erklärung, dass bei künftigen Kapitalmaßnahmen das Bezugsrecht der Aktionäre nur in einem bestimmten maximalen Umfang ausgeschlossen werden soll. Solche und andere Zusagen können gegenüber einzelnen Aktionären oder der Hauptversammlung insgesamt abgegeben werden. Es stellt sich dann jeweils die Frage, wie verbindlich derartige Versprechungen sind und welche Rechte die Aktionäre haben, wenn sich später herausstellt, dass die Zusage nicht oder nur unvollständig erfüllt worden ist.

Dabei kann es sich um ganz unterschiedliche Arten von Zusagen handeln. Zuletzt erörtert wurden Vereinbarungen des Vorstands mit Dritten, in denen sich die Gesellschaft verpflichtet, während eines bestimmten Zeitraums keine Kapitalerhöhung vorzunehmen.1 Um solche Verpflichtungen, bei denen zweifelhaft ist, ob sie von den Kompetenzen des Vorstands gedeckt sind,2 geht es hier nicht. Erörtert werden sollen nicht vertragliche Verpflichtungen gegenüber Dritten, sondern Erklärungen gegenüber den Aktionären, mit denen der Vorstand ein bestimmtes künftiges Vorgehen in seinem Zuständigkeitsbereich verspricht. Wie verbindlich solche Zusagen sind und welche Konsequenzen sich ergeben können, wenn sie nicht eingehalten werden, soll im Folgenden an Hand dreier Beispiele erörtert werden.

1. Vertretung durch die Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft

Im Vorfeld der Hauptversammlung bieten viele Gesellschaften – gestützt auf die Empfehlung in Ziff. 2.3.3 S. 3 DCGK – den Aktionären an, ihre Stimmen in der Hauptversammlung durch einen Stimmrechtsvertreter der Gesellschaft (vgl. § 134 Abs. 3 S. 5 AktG) vertreten zu lassen. Dabei handelt es sich in der Regel um ein Angebot, das – unabhängig von der Entsprechenserklä¬ZHR 178 (2014) S. 629 (630)rung gemäß § 161 AktG – in der Einladung zur Hauptversammlung unterbreitet wird. In der Praxis erfreut sich diese Art der Vertretung großer Beliebtheit, erweist sich aber als problematisch, wenn die bekannt gemachten Vorschläge der Verwaltung geändert werden oder wenn in der Hauptversammlung über Anträge abgestimmt wird, die nicht auf der Tagesordnung stehen.

Auf der Tagesordnung einer Hauptversammlung stand kürzlich der Vorschlag für ein genehmigtes Kapital mit der Möglichkeit eines Bezugsrechtsausschlusses bis zu 20% des Grundkapitals. Die Verwaltung hat diesen Vorschlag vor der Hauptversammlung dahin geändert, dass der Bezugsrechtsausschluss nur maximal 10% des Grundkapitals betragen soll. Da es sich um eine wesentliche Änderung des Beschlussvorschlags handelte, waren zu diesem bereits erteilte Stimmrechtsweisungen an den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter gegenstandslos. Die Gesellschaft sah sich deshalb genötigt, in einer Pressemitteilung hierauf hinzuweisen und den Aktionären im Internet ein Formular für neue Weisungen zu dem geänderten Vorschlag zur Verfügung zu stellen.3

Erfolgen solche Änderungen kurz vor oder in der Hauptversammlung, kann dies dazu führen, dass keine neuen Weisungen mehr eingeholt werden können und die Aktionäre, die sich auf die Stimmrechtsvertretung durch die Gesellschaft verlassen haben, insoweit unvertreten bleiben. Eine ähnliche Situation ergibt sich für Briefwähler, die dem Angebot zur Briefwahl folgend ihre Stimme vor der Hauptversammlung schriftlich oder elektronisch abgegeben haben und diese Stimmabgabe dem neuen Beschlussvorschlag nicht mehr anpassen können.4 Beabsichtigt die Verwaltung, einen bereits bekannt gemachten Beschlussvorschlag zu ändern, sollte dies daher so schnell wie möglich geschehen. Wartet der Vorstand damit bis zur Hauptversammlung, um den geänderten Vorschlag erst in dieser zu präsentieren, ist ein solches Vorgehen unter Umständen, insbesondere bei fehlendem Sachgrund, pflichtwidrig, weil die Einholung neuer Weisungen dann nicht mehr möglich ist, die in der Einberufung zugesagte Vertretung durch den Stimmrechtsvertreter durch die verzögerte Änderung des Beschlussvorschlags also vereitelt worden ist.

Die Einschaltung eines Stimmrechtsvertreters der Gesellschaft führt im Allgemeinen auch dazu, dass er bei der Abstimmung über nicht angekündigte Verfahrensanträge mangels vorliegender Weisungen nicht mitstimmen kann. Dieser Nachteil lässt sich in gewissem Umfang vermeiden. So kann das Weisungsformular für den Stimmrechtsvertreter dahin ausgestaltet werden, dass zu allen Beschlussvorschlägen eine Weisung zur Stimmabgabe „im Sinne der ZHR 178 (2014) S. 629 (631)Verwaltung“ erteilt werden kann. Eine solche pauschale Weisung ist zulässig.5 Sie ermöglicht eine Ausübung des Stimmrechts auch bei unangekündigten Anträgen, sofern die Verwaltung in der Hauptversammlung dazu eigene Beschlussvorschläge unterbreitet. Das Weisungsformular kann auch konkreter in der Weise ausgestaltet werden, dass im Weisungsformular eine ausdrückliche Weisung zu allen unangekündigten Gegenanträgen, Verfahrensanträgen und Anträgen auf Bestellung von Sonderprüfern vorgesehen wird.6 Entsprechende Weisungen erfolgen dann unter Umständen zwar nur vorsorglich; mit ihrer Ermöglichung wird aber eine umfassende Stimmrechtsvertretung gewährleistet. Dies kann vor allem bei streitigen Hauptversammlungen wichtig sein.

Eine effektivere Vertretung wird erreicht, wenn der Stimmrechtsvertreter gemäß der Anregung in Ziff. 2.3.3 S. 3, 2. Halbs. DCGK auch während der Hauptversammlung erreichbar ist.7 Auf Änderungen bei den Beschlussvorschlägen kann dann mit einer Anpassung der Stimmrechtsweisungen reagiert werden. Ein entsprechendes Angebot erreicht aber nur die Aktionäre, die die Hauptversammlung per Internet verfolgen und dabei gegenüber dem Stimmrechtsvertreter reagieren können. Dies sind bis auf Weiteres nur wenige Aktionäre.

2. Zusage einer schriftlichen Auskunftserteilung

In Hauptversammlungen kommt es immer wieder vor, dass der Vorstand bestimmte Fragen wegen ihres Umfangs oder noch erforderlicher Recherchen nicht beantworten kann oder möchte und deshalb dem fragenden Aktionär anbietet, ihm die Antwort nach der Hauptversammlung schriftlich zu erteilen. Ist der Aktionär damit einverstanden, wird sein Anspruch auf Auskunft in der Hauptversammlung durch die Vereinbarung einer nachträglichen schriftlichen Auskunft ersetzt (sog. erfüllungsersetzende Auskunftserteilungsvereinbarung).8 Eine solche Vereinbarung ist zulässig, auch wenn der Vorstand grundsätzlich zur Auskunftserteilung in der Hauptversammlung verpflichtet ist (§ 131 Abs. 1 S. 1 AktG). Da das Auskunftsrecht individueller Natur ist, steht es jedem Aktionär frei, auf eine Beantwortung seiner Fragen in der Hauptver¬ZHR 178 (2014) S. 629 (632)sammlung zu verzichten und sich mit einer späteren schriftlichen Antwort zufrieden zu geben. Hiergegen ist auch deshalb nichts einzuwenden, weil jeder andere in der Hauptversammlung anwesende Aktionär die Möglichkeit hat, sich die betreffenden Fragen zu Eigen zu machen und auf ihrer Beantwortung in der Hauptversammlung zu bestehen.9

Unklar sind allerdings die Rechtsfolgen, die sich aus einer solchen Auskunftsvereinbarung für den fragenden Aktionär ergeben. Fraglich ist insbesondere, welche Auswirkungen sich auf die Anfechtbarkeit (§ 243 Abs. 1 AktG) und das Antragsrecht nach § 132 AktG ergeben. Ist der Aktionär mit einer nachträglichen Auskunftserteilung einverstanden, erklärt er hiermit, dass die verlangte Auskunft für seine Stimmabgabe in der Hauptversammlung offenbar nicht erforderlich ist. Daraus folgt aber noch kein Verlust der Anfechtungsbefugnis bzw. des Rechtsschutzbedürfnisses für ein Auskunftserteilungsverfahren.10 So ist denkbar, dass die schriftliche Antwort des Vorstands unzureichend oder falsch ausfällt. Sind die Fristen für einen Antrag auf Auskunftserteilung (§ 132 Abs. 2 S. 2 AktG) oder die Erhebung einer Anfechtungsklage (§ 246 Abs. 1 AktG) noch nicht abgelaufen, stehen diese Rechtsbehelfe dem betroffenen Aktionär weiter zur Verfügung. Sein Einverständnis mit der schriftlichen Beantwortung bedeutet keinen Verzicht auf diese Rechtsmittel. In der Praxis wird allerdings ein Aktionär, der sich mit einer schriftlichen Antwort zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt zufrieden gibt, insoweit keinen Widerspruch zum Protokoll erklären. Fehlt ein solcher Widerspruch, fehlt aber auch die Anfechtungsbefugnis (§ 245 Nr. 1 AktG).

Steht das Auskunftserzwingungsverfahren wegen Ablaufs der Antragsfrist nicht mehr zur Verfügung, stellt sich immer noch die Frage, ob der betroffene Aktionär auf dem allgemeinen Zivilrechtsweg auf die Erteilung einer vollständigen und richtigen Auskunft klagen kann. Rechtsgrundlage dafür könnte die mit dem Vorstand getroffene Vereinbarung über die Auskunftserteilung nach der Hauptversammlung sein. Diese Vereinbarung ändert aber nichts am Rechtsgrund der Auskunftspflicht, der sich weiter aus § 131 AktG ergibt.11 Ein Rückgriff auf die ZPO ist daher nicht statthaft. Das Verfahren nach § 132 AktG ist auch insoweit als spezielle und abschließende Regelung zu verstehen.12

Entsteht dem Aktionär infolge einer nachträglich falsch erteilten Auskunft ein Schaden, bleibt die Frage, ob der Aktionär deswegen vom Vorstand Schadensersatz verlangen kann. Unzweifelhaft gilt zunächst, dass die Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, auch in diesen Fällen eine vollständige und sachlich zutreffende Antwort schuldet.13 Bei Auskünften in oder nach der ZHR 178 (2014) S. 629 (633)Hauptversammlung hängt die Möglichkeit einer Schadensersatzpflicht aber davon ab, ob § 131 AktG ein Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB darstellt, was teilweise bejaht wird.14 Überzeugender ist es jedoch, § 131 AktG nicht als Schutzgesetz anzusehen, weil es darin nur um das mitgliedschaftliche Informationsrecht und nicht auch um damit zusammenhängende Vermögensdispositionen geht.15 Der Zweck des § 131 AktG ist insofern enger als der des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, bei dem es sich unzweifelhaft um ein Schutzgesetz handelt,16 wenn auch beschränkt auf Auskünfte in der Hauptversammlung. Schadensersatzansprüche wegen einer nach der Hauptversammlung erteilten unrichtigen Auskunft scheiden daher aus.

3. Zusagen hinsichtlich der Ausnutzung einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss

Das AktG erlaubt der Hauptversammlung, bestimmte Entscheidungen auf den Vorstand zu delegieren. So kann der Vorstand von der Hauptversammlung ermächtigt werden, im Rahmen eines genehmigten Kapitals (§ 202 AktG) neue Aktien oder auf Grund einer Ermächtigung nach §§ 221, 192 Abs. 2 Nr. 1 AktG Schuldverschreibungen mit Options- und/oder Wandlungsrechten auf Aktien auszugeben. Nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG kann die Hauptversammlung den Vorstand innerhalb bestimmter Grenzen auch zum Erwerb und zur Veräußerung eigener Aktien ermächtigen. Dabei kann die Hauptversammlung den Vorstand auch zum Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre bei der Ausgabe neuer Aktien oder Schuldverschreibungen bzw. bei der Veräußerung eigener Aktien ermächtigen (§§ 203 Abs. 2, 221 Abs. 4, 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4, 186 Abs. 4 AktG).

a) Vorgaben in der Ermächtigung

Die Ermächtigungsbeschlüsse der Hauptversammlung regeln meist nicht nur die zu ihrer Ausnutzung notwendigen Eckpunkte, sondern enthalten darüber hinaus weitere Vorgaben. So wird z.B. die Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals häufig auf maximal 20% des derzeitigen Grundkapitals beschränkt.17 Eine solche ZHR 178 (2014) S. 629 (634)Einschränkung ist rechtlich nicht zwingend geboten, praktisch aber sinnvoll, weil viele institutionelle Investoren, Stimmrechtsberater und Aktionärsvereinigungen einen darüber hinaus gehenden Bezugsrechtsausschluss nicht akzeptieren und deshalb ohne diese Einschränkung die Gefahr einer Ablehnung des Beschlussvorschlages besteht.18 Beschränkungen finden sich auch bei den Ermächtigungen zum Erwerb eigener Aktien gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG. Soll eine solche Ermächtigung auch den Einsatz von Derivaten erlauben, wird dieser Teil der Ermächtigung zur Reduzierung des Anfechtungsrisikos meist als eigener Beschlussvorschlag verselbstständigt; außerdem wird der Erwerb von eigenen Aktien auf diesem Wege auf höchstens 5% des Grundkapitals beschränkt.19 Auch diese Einschränkung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern erklärt sich als vorsorgliche Berücksichtigung der Abstimmungsempfehlungen verschiedener Stimmrechtsberater.20

Stehen solche Einschränkungen im Beschluss der Hauptversammlung, sind sie für den Vorstand ohne Weiteres verbindlich (§ 83 Abs. 2 AktG). Der Vorstand ist zwar nicht verpflichtet, von einer ihm erteilten Ermächtigung zur Kapitalerhöhung oder zum Erwerb eigener Aktien Gebrauch zu machen.21 Nutzt er die Ermächtigung aus, ist er aber an deren Vorgaben gebunden. Missachtet er die in der Ermächtigung enthaltenen Beschränkungen, ist die Ausnutzung fehlerhaft. Bei fehlerhafter Ausnutzung z.B. eines genehmigten Kapitals darf der Registerrichter die Kapitalerhöhung nicht eintragen.22 Wird sie dennoch eingetragen, ist die Kapitalerhöhung nach der Rechtsprechung zwar wirksam.23 Die Aktionäre können aber im Wege einer Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO die Nichtigkeit des Ausnutzungsbeschlusses feststellen lassen und im Anschluss daran ggf. Schadensersatzansprüche gegenüber der Gesellschaft geltend machen.24

ZHR 178 (2014) S. 629 (635)

b) Zusagen im Bericht des Vorstands

Einschränkende Vorgaben für die Ausnutzung einer Ermächtigung finden sich bisweilen allerdings nicht im Beschluss der Hauptversammlung, sondern nur in dem Bericht des Vorstands, in dem der dabei vorgesehene Bezugsrechtsausschluss erläutert wird (§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG).25 Dieser Bericht ist nicht Teil der Beschlussfassung, sondern ein gesonderter Verfahrensakt.26 Der Vorstandsbericht dient der vorbereitenden Unterrichtung der Aktionäre. Er soll ihnen eine Entscheidungsgrundlage für ihr Stimmverhalten zu dem betreffenden Beschlussvorschlag bieten. Enthält der Bericht bestimmte Zusicherungen zur künftigen Ausnutzung der Ermächtigung, so fließen diese in das Abstimmungsverhalten der Aktionäre ein. Sie sind damit unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes auch verbindlich.

Gegen eine solche bindende Wirkung könnte sprechen, dass die Bestimmung von Inhalt und Umfang einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss in die ausschließliche Zuständigkeit der Hauptversammlung fällt (§§ 202 Abs. 2, 203 Abs. 2 AktG). Dementsprechend darf der Vorstand z.B. keinen weitergehenden Bezugsrechtsausschluss beschließen als er in der Ermächtigung vorgesehen ist. Verspricht der Vorstand jedoch einen weniger weitgehenden Bezugsrechtsausschluss, so steht dies nicht im Widerspruch zu dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung. Eine solche Zusage beschränkt nämlich nicht die Ermächtigung, sondern bezieht sich allein auf deren spätere Ausnutzung. Sie betrifft das künftige Handeln des Vorstands und bewegt sich damit im Rahmen der Kompetenzen des Vorstands.

Die Begrenzung des Bezugsrechtsausschlusses durch eine entsprechende Zusage wirkt nicht nur schuldrechtlich, sondern bindet die Gesellschaft auch gesellschaftsrechtlich. Dies folgt daraus, dass die Zusage im Bericht des Vorstands im Hinblick auf den dazu vorliegenden Vorschlag der Verwaltung zur Beschlussfassung erklärt wird und diesen zwar förmlich unberührt lässt, inhaltlich aber modifiziert. Der Vorstand hat demgemäß nach der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals der nächsten Hauptversammlung auch darüber zu berichten, ob die selbst gesetzte Begrenzung des Bezugsrechtsausschlusses beachtet wurde.27 Hält sich der Vorstand bei der Ausnutzung der Ermächtigung nicht an diese Grenze, so verletzt er das Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre, auch wenn sich die Ausnutzung im Rahmen der Ermächtigung bewegt. Die Nichtbefolgung der selbst gesetzten Begrenzung führt zur Nichtigkeit des Ausnutzungsbeschlusses. Die Aktionäre können dies gemäß § 256 ZPO ge¬ZHR 178 (2014) S. 629 (636)richtlich feststellen lassen und ggf. von der Gesellschaft Schadensersatz verlangen (§ 823 Abs. 2 BGB).

c) Zusagen außerhalb des Vorstandsberichts

Einschränkende Zusagen in Bezug auf die Ausnutzung einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss erfolgen meist nicht ganz freiwillig, sondern als Reaktion darauf, dass institutionelle Investoren oder andere Aktionäre im Vorfeld der Hauptversammlung den Umfang der angekündigten Ermächtigung kritisieren und ihre Zustimmung zu dem Beschlussvorschlag von bestimmten Einschränkungen abhängig machen. Kommt es zu solcher Kritik erst nach der Einberufung der Hauptversammlung, sind Zusagen im Vorstandsbericht praktisch nicht mehr möglich. Denkbar wäre zwar eine nachträgliche Änderung des Berichts; diese könnte meist aber nicht mehr fristgemäß veröffentlicht werden.28 Möglich bleibt dann zwar, den Beschlussvorschlag für die Hauptversammlung zu ändern und diese Änderung vor oder in der Hauptversammlung bekannt zu machen. Ein solches Vorgehen würde aber zu den eingangs angesprochenen Problemen bei der Stimmrechtsvertretung angesichts der bereits erteilten Weisungen führen. Unter Umständen müssten auch die bis dahin eingegangenen Briefwahlstimmen zu dem betreffenden Tagesordnungspunkt unberücksichtigt bleiben.29

Diese Probleme stellen sich nicht, wenn der Beschlussvorschlag selbst unverändert bleibt und der Vorstand stattdessen im Vorfeld der Hauptversammlung eine schriftliche Erklärung veröffentlicht, in der er für die Ausnutzung einer zur Beschlussfassung vorgeschlagenen Ermächtigung die Einhaltung bestimmter Grenzen zusichert. So sind schon wiederholt Erklärungen vor der Hauptversammlung veröffentlicht worden, in denen künftige Bezugsrechtsausschlüsse bei möglichen Kapitalerhöhungen auf insgesamt höchstens 20% des Grundkapitals begrenzt worden sind.30 Erklärungen dieser Art werden mitunter auch erst in der Hauptversammlung mündlich abgegeben. Sie werden dann zweckmäßigerweise in die notarielle Niederschrift aufgenommen und nach der Hauptversammlung noch einmal auf der Internetseite der Gesellschaft bekannt gemacht. Vorkommen kann eine entsprechende Erklärung schließlich auch erst nach der Hauptversammlung, indem auf diese Weise z.B. ein Aktionär von Schritten gegen die beschlossene Ermächtigung abgehalten werden soll.

ZHR 178 (2014) S. 629 (637)

Auch diese Erklärungen außerhalb des Berichts des Vorstands sind für die Gesellschaft verbindlich. Soweit sie vor oder in der Hauptversammlung im Hinblick auf eine anstehende Beschlussfassung abgegeben werden, sind sie einer Zusage im Bericht des Vorstands ohne Weiteres gleichwertig. Sie dienen wie diese dazu, die Aktionäre darüber zu informieren, dass der Vorstand bei der Ausnutzung bestimmte Grenzen des Bezugsrechtsausschlusses beachten wird. Diese Zusagen bewegen sich im Rahmen der Kompetenzen des Vorstands und sind als verbindliche Festlegung gewollt. Dass die Erklärung nicht wie der Vorstandsbericht während der Einberufungsfrist ausgelegen hat oder zugänglich war, ändert daran nichts. Das Gleiche gilt für Erklärungen, die lediglich mündlich in der Hauptversammlung abgegeben werden. Auch an einer solchen Erklärung muss sich der Vorstand festhalten lassen, da sie wie eine schriftliche Erklärung im Vorstandsbericht dazu gedacht ist, den Aktionären die Zustimmung zu erleichtern. Auch eine mündliche Zusage ist daher verbindlich und kann nach der Beschlussfassung der Hauptversammlung nicht mehr widerrufen werden. Wird sie in die Niederschrift des Notars gemäß § 130 AktG aufgenommen, dient dies nur der Sicherung des Nachweises.

Erklärt der Vorstand erst nach der Beschlussfassung der Hauptversammlung, sei es noch in dieser oder später, dass er von einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss nur begrenzt Gebrauch machen will, ist es eine Auslegungsfrage, ob der Vorstand nur eine unverbindliche Absichtserklärung abgeben oder ob er sich unwiderruflich binden will. Im Zweifel ist auch eine solche nachträgliche Erklärung als verbindlich zu werten. Dies gilt jedenfalls dann, wenn mit ihr auf das Verhalten von Aktionären Einfluss genommen werden soll. In solchen Fällen muss der Vorstand davon ausgehen, dass die Adressaten die Erklärung als Selbstverpflichtung des Vorstands verstehen, auf deren Einhaltung sie sich verlassen können.

Reinhard Marsch-Barner

1

Dabei geht es um Absprachen im Zusammenhang mit einem Börsengang oder einer Übernahme.

2

Verneinend LG München I NZG 2012, 1152 und OLG München NZG 2013, 460; dazu näher Paschos, NZG 2012, 1142 ff.; König, NZG 2013, 452 ff.; Otto, NZG 2013, 930 ff.; Bungert/Wansleben, ZIP 2013, 1841 ff.; Wansleben, Der Konzern 2014, 29 ff.

3

Vgl. TOP 7 der Einladung zur Hauptversammlung der CTS eventim AG & Co. KGaA am 8. 5. 2014 und die dazu auf der Homepage der Gesellschaft veröffentlichten Unterlagen.

4

Vgl. dazu Noack/Zetzsche in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2008, § 124 Rdn. 62; Wieneke, FS Schwark, 2009, S. 305, 327.

5

Vgl. Rieckers in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 135 Rdn. 73; Marsch-Barner in: Marsch-Barner/Schäfer, Hdb börsennotierte AG, 3. Aufl. 2014, § 34 Rdn. 120, 125; Holzborn in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. 2014, § 135 Rdn. 17; Grobecker, NZG 2010, 165, 168 zum Vollmachtstimmrecht der Banken; a.A. Schröer in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2013, § 135 Rdn. 109.

6

Vgl. das Weisungsformular der Koenig & Bauer AG, Würzburg, zur Hauptversammlung 2014.

7

So z.B. bei der Deutschen Telekom AG.

8

Vgl. Kubis, FS Kropff, 1997, S. 171, 187 f.; Kubis in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2013, § 131 Rdn. 85; Decher in: GroßkommAktG, § 131 Rdn. 107, 109; Siems in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 131 Rdn. 65; Herrler in: Grigoleit, AktG, § 131 Rdn. 30.

9

Vgl. Spindler in: Karsten Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 131 Rdn. 62.

10

Ebenso MünchKommAktG/Kubis (Fn. 8), § 131 Rdn. 85, und Koch in: Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2010, § 131 Rdn. 22.

11

Dafür spricht auch die Regelung in § 131 Abs. 4 AktG.

12

MünchKommAktG/Kubis (Fn. 8), § 131 Rdn. 85.

13

Vgl. nur Hüffer/Koch (Fn. 10), § 131 Rdn. 21.

14

GroßkommAktG/Decher (Fn. 8), § 131 Rdn. 406; Semler in: MünchHdb AG, 3. Aufl. 2007, § 37 Rdn. 63; Karsten Schmidt/Lutter/Spindler (Fn. 9), § 131 Rdn. 99.

15

Vgl. Butzke, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 5. Aufl. 2011, G 100; Hüffer/Koch (Fn. 10), § 131 Rdn. 44; Drinhausen in: Hölters, AktG, § 131 Rdn. 44; Kersting in: KölnKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 131 Rdn. 563 f.; MünchKommAktG/Kubis (Fn. 8), § 131 Rdn. 171; Reger in: Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl. 2014, § 131 Rdn. 34.

16

Vgl. BGH NZG 2004, 816, 818.

17

Vgl. z.B. den Beschlussvorschlag zu TOP 8 der Hauptversammlung der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft vom 25. 4. 2013 oder den Beschlussvorschlag zu TOP 8 der Hauptversammlung der Fresenius SE & Co. KGaA vom 16. 5. 2014.

18

Vgl. die entsprechende generelle Beschränkung einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluss auf S. 17 der ISS 2014 European Proxy Voting Summary Guidelines v. 4. 4. 2014.

19

Vgl. z.B. den Beschlussvorschlag der Siemens AG zu TOP 9 der Hauptversammlung am 25. 1. 2011 und den Beschlussvorschlag der Deutschen Börse AG zu TOP 6 der Hauptversammlung am 15. 5. 2013.

20

Vgl. z.B. die auf Italien und Deutschland bezogene Empfehlung auf S. 19 der ISS 2014 European Proxy Voting Summary Guidelines v. 4. 4. 2014.

21

Vgl. zum genehmigten Kapital Bayer in: MünchKommAktG, 3. Aufl. 2011, § 202 Rdn. 34, 86; Hüffer, AktG, 11. Aufl. 2014, § 202 Rdn. 6; Lutter in: KölnerKommAktG, 2. Aufl. 1995, § 202 Rdn. 10; Wamser in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl. 2010, § 202 Rdn. 85.

22

Vgl. MünchKommAktG/Bayer (Fn. 21), § 203 Rdn. 19; Spindler/Stilz/Wamser (Fn. 21), § 203 Rdn. 51, 109.

23

BGH NJW 2006, 374, 376 – Mangusta/Commerzbank II; Spindler/Stilz/Wamser (Fn. 21), § 203 Rdn. 52; Busch, NZG 2006, 81, 87.

24

Vgl. BGH NJW 2006, 374, 375 f.

25

Vgl. z.B. den Vorstandsbericht der BASF SE zu TOP 7 der Hauptversammlung am 2. 5. 2014 und den Vorstandsbericht der Allianz SE zu TOP 6 der Hauptversammlung am 7. 5. 2014.

26

Vgl. Wiedemann in: GroßkommAktG, 4. Aufl. 1995, § 186 Rdn. 118.

27

Zu dieser nachträglichen Berichterstattung BGH NJW 2006, 371, 372 – Mangusta/Commerzbank I.

28

Zur Veröffentlichung des Berichts nach § 186 Abs. 4 S. 2 AktG siehe § 124a Nr. 3 AktG und Hüffer/Koch (Fn. 10), § 186 Rdn. 23 sowie §§ 293f Abs. 1 S. 3, 319 Abs. 3 S. 1 Nr. 3, 327c Abs. 3 Nr. 3 AktG.

29

Vgl. Arnold/Carl/Götze, AG 2001, 349, 355.

30

Vgl. die Erklärung des Vorstands der Praktiker Bau- und Heimwerkermärkte Holding AG vom 29. 4. 2010 zur Hauptversammlung am 21. 5. 2010 und die ergänzende Erklärung des Vorstands der Klöckner & Co. SE vom 4. 5. 2010 zu bestimmten Tagesordnungspunkten der Hauptversammlung am 26. 5. 2010.

 
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