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ZNER 2013, 457
Becker 

Editorial

Deutschland hat gewählt – und das Ergebnis ist aufschlussreich: Das EEG dürfte vorerst gerettet sein. Die von der FDP und ihren Helfern Bundeskartellamt, Prof. Haucap/Ex-Monopolkommission, von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und vom BDI betriebene Wende zu einem Quotensystem geht wohl mit der FDP unter.

Aber den energiewendeorientierten Journalisten beschäftigt auch das schlechte Abschneiden der Grünen. Es dürfte nicht allein an den Steuerplänen liegen. Wie keine andere Partei werden die Grünen mit der Energiewende identifiziert. Das SPIEGEL-Titelblatt „Luxus Strom“ mit der vergoldeten Verlängerungsschnur (36; 02.09.2013) war Wahlkampf pur. Auch der SPIEGEL propagierte ein Quotensystem zur Ablösung der „missratenen Energiewende“ und empfahl ausgerechnet das schwedische Quotenmodell, das mit seinen hälftigen Wasserkraft- und Atomstromanteilen so gar nicht mit der deutschen Energiewende verglichen werden kann. Aber das Kalkül war klar: Der Leser durchschaut die Situation nicht, man kann ihm alles erzählen.

Aber es gibt auch hausgemachte Verständnisbarrieren. Dazu gehört die Ermittlung der EEG-Umlage, die mit einem Rätsel behaftet ist, dem „Merit-Order-Paradoxon“. So heißt die folgende Beobachtung: Die AusglMechV (auf Energiewende-Deutsch: Ausgleichsmechanismusverordnung, ergänzt durch die AusglMechAV, Ausgleichsmechanismusausführungsverordnung) schreibt die Ermittlung der EEG-Umlage folgendermaßen fest: Die untere Schwelle ist der Marktpreis der EPEX Spot, der häufig durch die EE-Einspeisungen bis auf 30 Euro/MWh fällt. Den oberen Fixpunkt stellt die EEG-Umlage dar, vom Ansatz her die Summe aller Einspeisevergütungen, bezogen auf die einzelne Kilowattstunde, derzeit 5,37 ct/kWh. Daraus ergibt sich der reine Energiepreis für den Verbraucher, also 8,37 ct/kWh, wenn der Börsenpreis 3 ct/kWh ausmacht. Damit werden die Erneuerbaren Energien für ihre preissenkende Funktion im Ergebnis, wie es beim Verbraucher ankommt, bestraft.

Die Berechnung der EEG-Umlage ist aber sehr undurchsichtig: Die Einnahmen und Ausgaben werden geschätzt und im Folgejahr anhand der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben korrigiert. Bei den Prognosen hatten die Übertragungsnetzbetreiber die Einnahmen für 2011 stark überschätzt, so dass ein Betrag von 0,7 ct/kWh zur Abdeckung des Fehlbetrags eingestellt werden musste. Dazu kam eine sog. Liquiditätsreserve von 0,3 ct/kWh, die insgesamt zu einem Erhöhungsbetrag von 1 ct/kWh führten. Der unmittelbare EE-induzierte Aufschlag belief sich also nur auf 0,7 ct/kWh (vgl. dazu Becker, Der (wahre) Strompreis: Das unbekannte Wesen, ZNER 2012, 563).

Dazu kommen zwei strompreisbeeinflussende Faktoren, die teils auf die Berechnung der Umlage, teils auf die Netzentgelte einwirken. Schon im EEG 2000, das den Übergang vom Stromeinspeisungsgesetz zum EEG markiert, gab es das Problem der Belastung stromintensiver Industrien durch die EEG-Umlage. Ihnen kam man mit dem EEG-Änderungsgesetz 2003 entgegen, in dem ihnen auf Antrag eine Verringerung der EEG-Umlage gewährt wurde. Ohne die Begünstigung der stromintensiven Unternehmen wäre mit einer EEG-Umlage von 0,68 ct/kWh zu rechnen gewesen; tatsächlich lag sie bei 0,79 ct/kWh, was eine Steigerung um etwa 16 Prozent bedeutet. Ergebnis: Die Haushalte subventionieren die stromintensive Industrie.

Dazu kam die weitere Entlastung der stromintensiven Industrien durch § 19 der Netzentgeltverordnung. Besondere stromintensive Industrien wurden völlig von Netzentgelten entlastet; eine Regelung, die das OLG Düsseldorf im Dezember 2012 mangels zureichender Ermächtigungsgrundlage für rechtswidrig erklärte. Die Entlastungen bei den Netzentgelten wirken sich aber bis heute aus und zwar mit 0,2 ct/kWh. Insgesamt summieren sich die Entlastungen durch das EEG und die Netzentgelte auf 0,6 ct/kWh. Die eigentlich EE-induzierte Umlage macht also noch nicht die Hälfte des aktuellen Betrages von 5,37 ct/kWh aus.

Dieses System ist von einer so hohen Komplexität, dass im Bundestagswahlkampf, der mit Steinbrücks Nominierung im November 2012 begann, keine Partei die Zusammenhänge nach außen kommunizierte. Stattdessen wurde den Protesten wegen der steigenden EEG-Umlage mit Verweis auf technische Schwierigkeiten begegnet, die nach der Bundestagswahl durch eine umfassende „Reform des EEG□ anzugehen wären. Auch die Grünen trauten sich nicht, die Zusammenhänge offensiv anzugehen, was damit zusammenhing, dass die AusglMechV im BMU entwickelt worden war, auf Basis nachvollziehbarer Überlegungen, im letzten Jahr der schwarz-roten Koalition beschlossen wurde und zum 01.01.2010 in Kraft trat. Man konnte daher nicht sagen, es habe sich um eine schwarz-gelbe „Untat“ gehandelt.

Der Einzige, der die EEG-Umlage offensiv anging, war Bundesumweltminister Altmaier mit seiner „Strompreisbremse“, die aber zum Teil unzumutbare Instrumente vorsah, wie z.B. eine Revision historischer Einspeisevergütungen, was zu Recht als verfassungswidrig abgewiesen wurde. Die Strompreisbremse scheiterte.

Aber die Probleme liegen weiter auf dem Tisch. Es gibt inzwischen mindestens sieben bis acht unterschiedliche Vorschläge zur Revision des EEG. Die ZNER wird das kommende Heft dem Schwerpunkt „Reform des EEG“ widmen. Dabei wird sich zeigen, dass die Vorstellungen zum Teil weit auseinanderliegen, dass es aber auch einen Bestand an Übereinstimmungen gibt, die man vielleicht mit einem ersten Reformgesetz abarbeiten könnte, während die divergierenden Instrumente ausprobiert werden. Das kommende Heft der ZNER – mit einem vorgezogenen Redaktionsschluss auf den 31. Oktober 2013 – soll sich diesem Schwerpunkt widmen. Geplant ist weiter eine ZNER-Konferenz zum Thema Anfang Dezember.

Peter Becker

 
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