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BB 2013, 1
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8. GWB-Novelle: Was lange währt, wird endlich gut?

Abbildung 1

Am 30.6.2013 ist nach beinahe zweijähriger Vorbereitung die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Kraft getreten. Eine wichtige Neuerung findet sich in der Fusionskontrolle: Zusammenschlüsse sind künftig zu untersagen, wenn durch sie “wirksamer Wettbewerb erheblich behindert würde”. Dieses Kriterium tritt allerdings nicht vollständig an die Stelle des zuvor allein maßgeblichen Marktbeherrschungs-Kriteriums. Vielmehr behält die “Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung” als Regelbeispiel einer “erheblichen Wettbewerbsbehinderung” ihre Relevanz. Mit der Neufassung macht das Gesetz aber deutlich, dass außer solchen Fällen der Marktbeherrschung auch andere negative Effekte eines Zusammenschlusses eine Untersagung rechtfertigen können. So kann das Bundeskartellamt künftig auch eine Fusion von Wettbewerbern verbieten, die nicht die Entstehung einer führenden Marktposition zur Folge hätte, wenn die potenziellen Fusionspartner besonders nahe Wettbewerber sind, die sich einen besonders intensiven Wettbewerb um bestimmte Kundengruppen liefern. Anschauungsmaterial für solche Fälle bietet die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission, die bereits seit 2004 das moderne Kriterium der “erheblichen Wettbewerbsbehinderung” anwendet. Sie hat kürzlich die Übernahme der österreichischen Mobilfunksparte des Anbieters Orange durch den Konkurrenten Hutchison von der Erfüllung strenger Bedingungen abhängig gemacht, da beide Gesellschaften auf dem österreichischen Markt als besonders enge Wettbewerber anzusehen waren. Zwar verfügten sie über vergleichsweise geringe Marktanteile – nach Angaben des Erwerbers kamen sie nach dem Zusammenschluss mit – zusammen – 22 % nur auf den drittgrößten Marktanteil nach dem Marktführer A1 (46 %) und T-Mobile (31 %). Orange, und Hutchison lieferten sich aber nach den Feststellungen der Kommission besonders heftigen Wettbewerb bei den Datendiensten; im Übrigen wechselten Kunden anderer Anbieter besonders häufig zu einem der beiden Fusionspartner, was deren Bedeutung für den Wettbewerb unterstrich.

Der Regierungsentwurf zur 8. GWB-Novelle hatte eine Stärkung des Wettbewerbs im Gesundheitswesen durch Erstreckung des Kartellverbots und der Missbrauchsaufsicht auf das Verhältnis der Krankenkassen untereinander und zu den Versicherten vorgesehen. Zudem sah der Regierungsentwurf die Anwendung der Zusammenschlusskontrolle auf die Vereinigung von gesetzlichen Krankenkassen vor. Von diesen hochfliegenden Plänen hat aufgrund des erbitterten Widerstandes von Krankenkassen und Gesundheitspolitikern nur das zuletzt genannte Element – Zusammenschlusskontrolle – das Gesetzgebungsverfahren überstanden, und auch dies nur in eigenartig kupierter Form: Zwar unterliegen Krankenkassenfusionen künftig der Zusammenschlusskontrolle des Bundeskartellamtes. Für die Entscheidung über Rechtsmittel gegen eine kartellbehördliche Untersagung ist aber nicht – wie bei anderen Fusionen – die ordentliche Gerichtsbarkeit, sondern die Sozialgerichtsbarkeit zuständig.

Eine wichtige Neuerung findet sich im Bereich des Kartellordnungswidrigkeitenrechts: Hier wird es Unternehmen künftig erschwert, durch schlichte gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung einem Kartellbußgeld auszuweichen. Dies wird mit einer Neufassung des § 30 des Ordnungswidrigkeiten-Gesetzes erreicht, der die Möglichkeit zur Festsetzung einer Geldbuße gegen den Gesamtrechtsnachfolger eines Unternehmens schafft.

Ein neuer § 30 Abs. 2a des GWB sucht das sog. Presse-Grosso gegen eine Anwendung des Kartellrechts abzusichern: Die Vorschrift erklärt das Kartellverbot für unanwendbar auf Branchenvereinbarungen zwischen Vereinigungen von Presseunternehmen und Vereinigungen ihrer Abnehmer (der sog. Grossisten), mit denen der flächendeckende Vertrieb von Presseerzeugnissen geregelt wird. Als juristisch kreativ erscheint es, wenn das Gesetz in diesem Zusammenhang Verlage und Pressegrossisten mit “Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse” betraut. Es muss aber zweifelhaft erscheinen, ob das wie ein Gebietskartell wirkende Grosso-System hiermit auch gegen das europäische Wettbewerbsrecht immunisiert werden kann. Art. 106 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union stellt Dienstleister von “allgemeinem wirtschaftlichem Interesse” nur soweit von der Anwendung des EU-Kartellrechts frei, wie dessen Anwendung die Erfüllung der “ihnen übertragenen öffentlichen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert”. Ob eine Anwendung des grundsätzlich für alle Unternehmen geltenden europäischen Kartellverbots auf die Grosso-Unternehmen die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe verhindert, kann zweifelhaft erscheinen. Die Ausgestaltung von Pressevertriebssystemen in anderen Staaten gibt einen Hinweis darauf, dass es hierfür keiner so weitreichenden Wettbewerbsbeschränkungen bedarf wie im deutschen Grosso-System.

Mit einem Federstrich hat der Vermittlungsausschuss schließlich dem Vorhaben der Kartellbehörden (unter Einschluss der Landeskartellbehörden) eine Absage erteilt, Entgelte der öffentlichen Wasserversorgung auch dann kartellrechtlich zu kontrollieren, wenn sie in Gestalt öffentlich-rechtlicher Gebühren erhoben werden. Eine “Flucht aus dem Kartellrecht” ist kommunalen Wasserversorgern daher weiterhin durch die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Versorgungsverhältnisse möglich. Umso wichtiger erscheint es, die Preisaufsicht über die Gebietsmonopolisten künftig – einer Forderung der Monopolkommission entsprechend – bei der Bundesnetzagentur zu bündeln.

Prof. Dr. Daniel Zimmer ist geschäftsführender Direktor des Center for Advanced Studies in Law and Economics (CASTLE) der Universität Bonn. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen des Kartell- und des Kapitalmarktrechts mit ihren jeweiligen Bezügen zur ökonomischen Forschung. Seit 2012 ist Prof. Zimmer Vorsitzender der Monopolkommission.

 
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