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CNL 2019, 5
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EuGH zu Suchmaschinen: Keine weltweite Auslistungspflicht

Betroffene Personen können gegenüber Suchmaschinenbetreibern einen Anspruch haben, dass ihre personenbezogenen Daten der Öffentlichkeit nicht durch Einbeziehung in Ergebnislisten zur Verfügung gestellt werden. Liegen die Anspruchsvoraussetzungen vor, sind Suchmaschinenbetreiber verpflichtet, Links zu Websites Dritter aus Ergebnislisten zu entfernen. Ungeklärt war bislang die geografische Reichweite des sog. Anspruchs auf Auslistung. Der EuGH hat nunmehr klargestellt, dass Suchmaschinenbetreiber solche Auslistungen nicht in allen Versionen ihrer Suchmaschinen vorzunehmen haben.

Abbildung 6

Google-Suchmaschine: Eine der weltweit meistbesuchten Websites, in deren Ergebnislisten sich manch einer nicht wiederfinden will.

Der Entscheidung des EuGH vom 24. September 2019 (Az. C-507/17) lag ein Rechtsstreit zwischen der Google LLC und der französischen Datenschutzaufsicht (Commission nationale de’informatique et de libertés, CNIL) über ein von der CNIL verhängtes Bußgeld in Höhe von 100.000 Euro zugrunde. Damit sanktionierte die CNIL die Weigerung von Google LLC, in Fällen, in denen das Unternehmen einem sog. Auslistungsantrag stattgibt, die Auslistung auf sämtliche Domains seiner Suchmaschine anzuwenden. Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde verlangte, bei der Entfernung von Links zu Websites aus Ergebnislisten alle Domainnamen-Erweiterungen der Suchmaschine zu berücksichtigen. Google LLC beschränkte sich darauf, die fraglichen Suchergebnisse bzw. Links aufgrund von Suchvorgängen zu entfernen, bei denen Varianten ihrer Suchmaschine mit Domainnamen aus den EU-Mitgliedstaaten verwendet wurden. Im Laufe des Verfahrens schlug Google LLC zusätzlich ein „Geoblocking“ vor. Damit würde bei einer Suche mit einer IP-Adresse, die dem Wohnsitzstaat der betroffenen Person zugeordnet ist, die Möglichkeit eines Zugriffs auf die von der Auslistung erfassten Links mit anderen Landesversionen der Suchmaschine unterbunden werden. Die französische Aufsicht hielt das Vorgehen von Google LLC auch mit dieser zusätzlichen Maßnahme für unzureichend und verhängte das Bußgeld, wogegen Google LLC gerichtlich vorging.

Im Vorlageverfahren wurde der EuGH zur Reichweite und Umsetzung des Rechts auf Auslistung befragt. Ausgangspunkt der Entscheidung ist das „Recht auf Auslistung“, wie es der EuGH im Jahr 2014 unter Geltung der Richtlinie 95/46/EG hergeleitet hat. Die Frage der geografischen Reichweite bei der Umsetzung eines Anspruchs auf Auslistung beantwortet der EuGH differenziert. Er folgt nicht der Ansicht der französischen Datenschutzaufsichtsbehörde, dass bei der Entfernung von Links zu Websites aus Ergebnislisten alle länderspezifischen Top-Level-Domains der Suchmaschine berücksichtigt werden müssen. Der EuGH zieht dabei in Betracht, dass zahlreiche Drittstaaten kein Recht auf Auslistung oder nur ein ähnliches Recht in anderer Ausprägung kennen. Darüber hinaus kann eine Abwägung zwischen den Rechten der betroffenen Person (Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten) und den Rechten der Internetnutzer (Informationsfreiheit) weltweit sehr unterschiedlich ausfallen. Weiterhin ergibt sich aus der DSGVO nicht, dass der Gesetzgeber dem Recht auf Auslistung eine Reichweite verleihen wollte, die über das Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten hinausgeht. Etwas anderes gilt für eine Erstreckung der Auslistung auf die gesamte EU. Das gebieten Ziel und Zweck der DSGVO, ein gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau in der gesamten EU zu schaffen und die Hemmnisse für den Datenverkehr in der EU zu beseitigen. Dem würde eine grundsätzliche Begrenzung der Auslistung allein auf den EU-Mitgliedstaat der betroffenen Person nicht gerecht werden. Allerdings kann das Recht auf Auslistung im Einzelfall eine größere oder kleinere geografische Reichweite haben. Es ist kein uneingeschränktes Recht und gewährt keinen absoluten Anspruch, sondern muss unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen tangierte Grundrechte Dritter, insbesondere das Recht auf Information der Internetnutzer abgewogen werden. Das ist auch bei der Frage der geografischen Reichweite einer Auslistung zu beachten. Das öffentliche Interesse am Zugang zu einer Information kann auch innerhalb der EU variieren, so dass die Abwägung mit den Rechten der betroffenen Person nicht zwingend für alle Mitgliedstaaten gleich ausfällt. Das gilt umso mehr, als es nach Art. 85 DSGVO Sache der Mitgliedstaaten ist, durch Rechtsvorschriften das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen.

Die DSGVO gewährt keinen Anspruch auf eine Auslistung, die sämtliche Links weltweit umfasst. Allerdings können Suchmaschinenbetreiber die Auslistung nicht auf den EU-Mitgliedstaat der betroffenen Person begrenzen. Vielmehr umfasst der Anspruch grundsätzlich alle Links mit den länderspezifischen Top-Level-Domains der EU-Mitgliedstaaten. Unter Verweis auf den Regelungsrahmen der DSGVO überlässt es der EuGH den Mitgliedstaaten, etwaige weitere Konkretisierungen vorzunehmen. Ob die Datenschutzaufsichtsbehörden hier Handlungsbedarf sehen und tätig werden, wird wohl auch davon abhängen, wie die Gerichte zukünftig über die geografische Reichweite innerhalb der EU entscheiden.

Dr. Markus Lang

Einen ausführlichen Kommentar von Dr. Markus Lang zum EuGH-Urteil lesen Sie in der Dezember-Ausgabe des Compliance-Beraters.

Abbildung 7

Dr. Markus Lang ist Rechtsanwalt mit einer Kanzlei in Düsseldorf mit Tätigkeitsschwerpunkt Datenschutz- und IT-Recht (www.datenschutzrechtpraxis.de). Er ist zertifizierter Datenschutzbeauftragter und Datenschutzauditor sowie Lehrbeauftragter an der Hochschule Düsseldorf (Modul Compliance).

CNL 2019 S. 5 (6)

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