R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
CNL 2019, 7
Linsmeier/Steinle/Fritzsche 

Wettbewerbsrecht soll fit für Digitalisierung werden

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie („BMWi“) hat den Referentenentwurf eines Zehnten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (RefE) vorgelegt. Der Entwurf soll das GWB fit für die Herausforderungen der Digitalisierung machen und trägt den Beinamen „GWB-Digitalisierungsgesetz“. Das BMWi will damit vor allem die Markmacht großer Digitalkonzerne wie Google, Facebook und Amazon beschränken.

Abbildung 9

„Super-Marktbeherrscher“: Der Gesetzgeber zielt auf Digitalkonzerne wie Google, Facebook und Amazon.

Zentraler Inhalt des RefE sind die ergänzten Missbrauchsvorschriften, die im Folgenden im Mittelpunkt stehen sollen. Weitere Änderungen betreffen die Fusionskontrolle (mit erhöhten Aufgreifschwellen) und das Verfahrensrecht in Umsetzung der sog. ECN+-Richtlinie.

Im Bereich der Missbrauchsaufsicht sieht der neue § 19a GWB neue, weitreichende Eingriffsbefugnisse für das Bundeskartellamt gegenüber „Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ vor (also „Super-Marktbeherrscher“). Der Gesetzgeber zielt damit auf Digitalkonzerne wie Google, Facebook und Amazon. Unternehmen, die nicht nur auf einzelnen Märkten marktbeherrschend sind, sondern insbesondere auf Grund von Netzwerkeffekten, Zugang zu Daten, Ressourcen sowie strategischer Positionierung auch auf die Geschäftstätigkeit von Unternehmen auf anderen Märkten Einfluss nehmen können (etwa als „Gatekeeper“), sollen zukünftig viel strengeren Normen unterliegen als „normale“ marktbeherrschende oder marktstarke Unternehmen, um u.a. Selbstverstärkungstendenzen ausreichend früh abmildern zu können. Der Gesetzgeber greift insoweit die verschiedenen Vorschläge von Expertenkommissionen im In- und Ausland auf.

Wenn das Bundeskartellamt förmlich feststellt, dass einem Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt, hat es gegenüber diesem Unternehmen deutlich weitreichendere Eingriffsbefugnisse. So soll das Bundeskartellamt „Super-Marktbeherrschern“ zukünftig unter anderem untersagen können, Daten, die sie im Rahmen ihrer Dienstleistungen erhalten, zurückzuhalten und dadurch ungerechtfertigte Abhängigkeiten zu schaffen. Auch soll für sie das Verbot der Selbstbevorzugung gelten.

Die Beweislast dafür, dass die jeweils beanstandeten Verhaltensweisen sachlich gerechtfertigt sind, sollen die „Super-Marktbeherrscher“ tragen. Das Bundeskartellamt muss folglich die Unbilligkeit einer Maßnahme anders als bei §§ 19, 20 GWB nicht positiv ermitteln und darlegen. Dies dürfte es dem Bundeskartellamt deutlich erleichtern, bestimmte Verhaltensweisen der relevanten Digitalkonzerne anzugreifen. So hat die Einführung einer entsprechenden Regelung zur Beweislastumkehr im Rahmen der Missbrauchsvorschriften in der Energiewirtschaft in § 29 GWB im Jahr 2007 zu einer deutlich verschärften Preismissbrauchsaufsicht gegenüber den Energieversorgungsunternehmen geführt.

Flankiert werden die neuen Regeln durch erweiterte Interventionsbefugnisse des Bundeskartellamtes. Insbesondere sollen einstweilige Maßnahmen ein schnelleres Einschreiten des Bundeskartellamtes ermöglichen. Sie sollen künftig schon dann möglich sein, wenn eine Zuwiderhandlung (nur) überwiegend wahrscheinlich erscheint und zum Schutz des Wettbewerbs oder auf Grund der Betroffenheit eines anderen Unternehmens ein frühes Einschreiten geboten ist. Insbesondere in Fällen des Behinderungsmissbrauchs soll dadurch erreicht werden, dass Wettbewerber während der laufenden Ermittlungen nicht aus dem Markt gedrängt werden. Wie sich an den jüngsten Missbrauchsverfahren der Europäischen Kommission im Digitalbereich zeigt, ist dem Markt und dem Wettbewerb nicht mit am Ende langwieriger Verfahren verhängten hohen Bußgeldern geholfen, wenn im Laufe der Ermittlungen die Wettbewerber bereits vom Markt verdrängt wurden.

Dr. Petra Linsmeier, Dr. Christian Steinle und Dr. Alexander Fritzsche

Abbildung 10

Dr. Petra Linsmeier, Partnerin bei Gleiss Lutz in München, berät regelmäßig nationale und internationale Mandanten im deutschen und europäischen Kartellrecht. Sie verfügt außerdem über langjährige Erfahrung bei internen Ermittlungen sowie in der Compliance-Beratung.

Abbildung 11

Christian Steinle, Partner bei Gleiss Lutz in Stuttgart und Brüssel, verfügt über umfangreiche Erfahrung im europäischen und internationalen Kartellrecht. Sein Schwerpunkt liegt auf Kartellbußgeld- und Kartellschadensersatzverfahren, Fusionskontrolle, Online- und Vertriebskartellrecht sowie Compliance-Programmen und internen Untersuchungen.

Abbildung 12

Alexander Fritzsche, Partner bei Gleiss Lutz in Frankfurt a. M., berät zu allen Fragen des deutschen und europäischen Kartellrechts. Dazu zählen unter anderem die deutsche und europäische Fusionskontrolle, Kooperations- und Vertriebsverträge, Kartellbußgeldverfahren und Schadensersatzprozesse sowie allgemeine Kartellrechts-Compliance.

 
stats