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CNL 2024, 6
Federmann/Pruksch/Modrzyk/Bernheim 

Hinweisgeberschutz in Deutschland – Teil 1

Zum Auftakt der mehrteiligen Beitragsreihe über den Hinweisgeberschutz in Deutschland zeigen die Autoren erste Erfahrungen in der Praxis und den Umsetzungsstand innerhalb der EU auf. Teil 2 der Reihe wird sich mit den wichtigsten Eckpunkten des Hinweisgeberschutzgesetzes befassen und erscheint in der Dezember-Ausgabe von Compliance.

Abbildung 8

Hinweisgeberschutz: Hat in der Praxis – trotz inzwischen einheitlicher Regelungen – viele Gesichter.

Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) schuf neue, bisher in dieser Form nicht existente Compliance-Anforderungen für eine Vielzahl nicht regulierter Unternehmen im Bereich von Hinweisgebersystemen. Mehr als ein Jahr Geltungskraft geben Anlass für einen neuerlichen Blick auf das Gesetz und erste Erfahrungen der Praxis mit den neuen legislativen Vorgaben.

Das Inkrafttreten des HinSchG am 2. Juli 2023 und die damit zusammenhängende Etablierung von Hinweisgebersystemen in Unternehmen führten zu einem spürbaren Anstieg an eingehenden Meldungen. Laut einer Umfrage der EQS Group AG erhielt im Jahr 2023 die Hälfte der befragten Unternehmen mindestens eine Meldung über die interne Meldestelle. 21 % der befragten Unternehmen erhielt sogar mehr als zehn Hinweise. Bei Unternehmen, die mehr als 50 Meldungen verzeichneten, handelt es sich mehrheitlich um Großunternehmen mit mehr als 10.000 Beschäftigten.

Eingehende Meldungen betreffen dabei meistens das Personalwesen (35 %) und die Themen Bestechung und Korruption (18 %). Daneben nehmen Meldungen häufig auch Bezug auf menschenrechtsbezogene Problematiken und soziale Standards (17 %), ebenso wie Verstöße gegen IT- oder Datenschutzrecht (17 %).

Zwar gebietet das HinSchG nicht zwingend, dass interne Meldestellen auch die Abgabe anonymer Hinweise ermöglichen müssen. Laut der EQS-Umfrage haben aber neun von zehn befragten Unternehmen diese Möglichkeit geschaffen. In solchen Fällen wird etwa die Hälfte der Meldungen anonym abgegeben.

Insgesamt hilft das gestiegene Aufkommen an Meldungen über interne Meldestellen den Unternehmen, Missstände und Rechtsverstöße „im eigenen Haus“ zügiger und präziser zu erkennen, zu bearbeiten und abzustellen.

Inzwischen ist die EU-Whistleblowing-Richtlinie in allen EU-Ländern in nationales Recht überführt worden. Als letzte EU-Länder erließen Polen und Estland kürzlich Hinweisgeberschutzgesetze.

In Polen verzögerte sich der dortige Gesetzgebungsprozess unter anderem durch den Regierungswechsel. Das polnische Hinweisgeberschutzgesetz wurde am 14. Juni 2024 vom polnischen Parlament verabschiedet, am 4. Juli 2024 im polnischen Gesetzblatt veröffentlicht und trat drei Monate später, also am 4. Oktober 2024 in Kraft. Damit müssen deutsche Konzerne mit Tochtergesellschaften in Polen auch dort ab jetzt eine interne Meldestelle unterhalten, die den polnischen Gesetzesbestimmungen gerecht wird.

In Estland wurde die EU-Whistleblowing-Richtlinie am 15. Mai 2024 in nationales Recht umgesetzt. Das estnische Hinweisgeberschutzgesetz trat am 1. September 2024 in Kraft. Bis dahin mussten Unternehmen ein internes Meldesystem eingerichtet haben. Für kleine Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten gilt eine verlängerte Umsetzungsfrist bis zum 1. Januar 2025.

Alle anderen EU-Länder haben schon früher eigene Hinweisgeberschutzgesetze verabschiedet. Damit existieren nun in allen 27 EU-Ländern Hinweisgeberschutzgesetze auf Basis der EU-Whistleblowing-Richtlinie.

RA Dr. Bernd Federmann, LL.M., RA/FAArbR Andreas Pruksch, RA Gracjan Modrzyk und RAin Dr. Patricia Bernheim, Rechtsanwälte bei der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

 
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