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CNL 2020, 2
Kuthe/Lingen 

Neuer BaFin-Emittentenleitfaden zur Ad-hoc-Publizität und zu Directors‘ Dealings

Die BaFin hat am 22. April 2020 das Modul C ihres neuen Emittentenleitfadens („ELF“) veröffentlicht. Hierin werden die besonders praxisrelevanten Bereiche Ad-hoc-Publizität/Insiderhandelsverbote, Eigengeschäfte von Führungskräften (Directors‘ Dealings), das Verbot der Marktmanipulation, Rückkaufprogramme und Stabilisierungsmaßnahmen sowie Insiderlisten dargestellt. Aufgrund der Tatsache, dass der ELF Hinweise zur Verwaltungspraxis der BaFin enthält, hat dieses neu erschienene Modul eine besondere praktische Relevanz für Freiverkehrsemittenten (auch Anleiheemittenten) und im regulierten Markt börsennotierte Gesellschaften.

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Hinter Gittern wegen Insiderhandel: Die BaFin stellt klar, wann das passieren kann.

Bereits Mitte 2016 kam es durch die Einführung der Marktmissbrauchsverordnung („MAR“) zu tiefgreifenden Reformen im Kapitalmarktrecht. Äußerst unbefriedigend für die tägliche (Beratungs-)Praxis war jedoch, dass bislang kein auf die MAR zugeschnittener BaFin-Leitfaden mit wesentlichen Informationen zur Verwaltungspraxis publiziert worden war.

Zum Bereich Ad-hoc-Publizität fasst das neue Modul des ELF zunächst die Grundlagen, inklusive wichtiger Definitionen zusammen. Anhand anschaulicher Prüfungsschemata kann ein Grundverständnis dafür gewonnen werden, ob die Ad-hoc-Vorschriften für den konkreten Emittenten überhaupt anwendbar sind. Der Einzelfall in der Praxis lässt sich damit jedoch nur selten lösen, womit weiterhin auf praktische Erfahrung und vorhandene Einzelfallkenntnisse zurückgegriffen werden muss. Besonders praxisrelevant sind die Ausführungen zu Prognosen und Ergebnissen, mit einer Abgrenzung zu bloß „allgemein formulierten Erwartungen“ oder „langfristigen Planungen“, die keine Insiderinformationen darstellen. Die Ausführungen zu sog. „gestreckten Sachverhalten“ mit mehreren Zwischenschritten (z.B. Unternehmenskäufen) sind nun deutlich umfassender gestaltet und mit Beispielen unterlegt.

Die BaFin macht zu den Anforderungen und den formalen Voraussetzungen des besonders praxisrelevanten Ad-hoc-Aufschubs in ihrem neuen ELF umfassendere Angaben. Dies gilt sowohl für die Identifikation und Prüfung als auch die Bewertung, ob eine potenzielle Insiderinformation vorliegt. Es wird zudem betont, dass der Emittent verpflichtet sei, unklare Sachverhalte weiter aufzuklären und mögliche Auswirkungen eines Ereignisses sorgfältig daraufhin zu prüfen, ob ein veröffentlichungspflichtiger Umstand vorliegt. Neu ist zudem die Klarstellung, dass die Entscheidung über den Aufschub auch vom (Gesamt-)Vorstand auf ein Ad-hoc-Gremium oder ein ordentliches Mitglied des Vorstands delegiert werden kann.

Bezüglich des Aufsichtsrats geht die BaFin im neuen Leitfadenmodul davon aus, dass dieser für sämtliche in seinen Aufgabenbereich fallende Sachbereiche auch die ausschließliche Ad-hoc-Kompetenz besitzt. Daher muss auch ein etwaiger Aufschub der Ad-hoc-Information, z.B. bei Vorstandsänderungen, durch Aufsichtsratsbeschluss erfolgen. Die Möglichkeit der Delegation besteht analog zu der des Vorstands (neu!). Im Falle der Vorstandsbestellung ist – wie bisher – darauf zu achten, dass schon die Absicht des verantwortlichen Gremiums, eine bestimmte Person als neuen Vorstandsvorsitzenden zu bestellen, eine Insiderinformation darstellen kann. Das Kursbeeinflussungspotenzial dieser Information könne sich dabei aus der Person des zu Bestellenden ergeben, aber auch aus der Tatsache, dass mit der Konkretisierung auf eine bestimmte Person die Unsicherheit über die zukünftige Ausrichtung des Emittenten beendet ist.

Die BaFin räumt auch dem wichtigen Komplex der „Eigengeschäfte von Führungskräften“ (Directors‘ Dealings) im neuen ELF mehr Raum ein, als in früheren Leitfäden. Es werden sehr umfassende Informationen zu den erfassten Finanzinstrumenten sowie den formellen Voraussetzungen der Directors‘ Dealings-Meldung gegeben. Bezüglich der sog. „Closed Periods“, d.h. dem Handelsverbot von Führungskräften des Emittenten während eines Zeitraums von 30 Kalendertagen vor Ankündigung eines Zwischenberichts oder eines Jahresabschlussberichts, betont die BaFin nun nochmals ausdrücklich, dass schon am Tag der Ankündigung (nach der Veröffentlichung) – und nicht erst einen Tag später – das Handelsverbot endet und wieder Eigengeschäfte möglich sind.

Der gestiegene Darstellungsumfang und erhöhte Detaillierungsgrad des neuen ELF sind für die Praxis hilfreich und ausdrücklich zu begrüßen. Weiterhin gilt jedoch, dass es auch künftig – vor allem bei Ad-hoc-Fragestellungen – auf eine gründliche Abwägung unter Einbeziehung der Besonderheiten des Einzelfalls ankommen wird. Aufgrund der aktuellen Lage sollten Emittenten zudem – neben den Inhalten des neuen ELF – die speziellen Hinweise der BaFin zur „Corona-Krise“ stets im Blick behalten.

Dr. Thorsten Kuthe und Dr. Gero Lingen

Mehr zum Thema lesen Sie im ausführlichen Beitrag von Dr. Thorsten Kuthe und Dr. Gero Lingen im Compliance-Berater Ausgabe 8-2020, der am 29. Juli 2020 erscheint.

Abbildung 2

Dr. Thorsten Kuthe ist Rechtsanwalt und Partner bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Köln und berät im Schwerpunkt rund um die börsennotierte Aktiengesellschaft.

Abbildung 3

Dr. Gero Lingen ist Rechtsanwalt bei Heuking Kühn Lüer Wojtek in Köln. Seine Kernkompetenzen liegen im Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht/M&A. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist dabei die kapitalmarktbezogene Compliance-Beratung von Unternehmen.

 
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