OLG Koblenz
Ausländersicherheit im Verhältnis zur VR China
OLG Koblenz, Entscheidung vom 29. April 1997 - 3 U 12/96;
OLG Koblenz
vom 29.04.1997
- 3 U 12/96
RIW
1997, 602
(Heft 7)
Sachverhalt:Die Klägerin, eine nach dem Recht der Volksrepublik China gegründete und dort ansässige Gesellschaft, hat den Beklagten in den Jahren 1988 bis 1993 mit Waren im Gesamtwert von rd. 23 000 000 DM beliefert. Die Klägerin beansprucht vom Beklagten noch einen Restkaufpreis in Höhe von 223 725 DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die in der Berufungsinstanz vom Beklagten vorab erhobene Einrede der fehlenden Ausländersicherheit für die Prozeßkosten wurde verworfen.Aus den Gründen:»I. Gemäß § 110 Abs. 1 Satz 1 ZPO haben Angehörige fremder Staaten, die als Kläger auftreten, der beklagten Partei auf Verlangen wegen deren Prozeßkosten Sicherheit zu leisten. Der Geltung dieser Vorschrift steht hier nicht entgegen, daß sie nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 20. März 1997 - C-323/95 - gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 6 Abs. 1 EG-Vertrag) verstößt. Denn dieses Verbot gilt nur im Anwendungsbereich des EG-Vertrages. Das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur VR China als Drittland wird hiervon nicht berührt.II. Die Verpflichtung der klagenden Partei zur Sicherheitsleistung tritt nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dann nicht ein,wenn nach den Gesetzen ihres Heimatstaates, hier also der VR China, ein Deutscher im gleichen Falle zur Sicherheitsleistung nicht verpflichtet wäre.1. Nach Auffassung der Beklagten, die sich auf Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 55. Aufl. 1997, Anhang nach § 110 Rdnr. 7 stützt, ist diese Gegenseitigkeit nicht verbürgt. Die gegenteilige Ansicht vertreten Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl. 1994, § 110 Rdnr. 41 und Zöller/Geimer, ZPO, 20. Aufl. 1997, Anhang III S. 2565. Allerdings enthalten alle diese Fundstellen keine Begründung. Diese findet sich ansatzweise bei Horn/Schütze, Wirtschaftsrecht und Außenwirtschaftsverkehr der Volksrepublik China, 1987, S. 322 und bei Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der Internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 1027.3 - Stand Dezember 1989. Dort wird ebenfalls und im Ergebnis zutreffend von einer Gegenseitigkeitsverbürgung im Sinne des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO im Verhältnis zur VR China ausgegangen. Allerdings ist die zugrundeliegende 1982 zur versuchsweisen Durchführung erlassene chinesische Zivilprozeßordnung inzwischen durch das 1991 erlassene chinesische Zivilprozeßgesetz abgelöst worden (ZPG 1991).2. Das ZPG 1991 sieht eine dem § 110 ZPO entsprechende Sicherheitsleistung für Ausländer im Grundsatz nicht vor. Soweit es in den Art. 251 ff. auf Antrag einer Partei eine 'Vermögenssicherung' ermöglicht (vgl. hierzu von Senger, Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht der Volksrepublik China, 1. und 2. Teil 1994, S. 513 ff.), handelt es sich um Maßnahmen zur Sicherung einer künftigen Zwangsvollstreckung, die mit dem deutschen Arrestverfahren vergleichbar sind.a) Nach Art. 32 Abs. 1 ihrer Verfassung vom 4. Dezember 1982 'schützt die VR China die gesetzmäßigen Rechte und Interessen der Ausländer, die sich auf chinesischem Territorium befinden; diese haben die Gesetze der VR China zu befolgen'. Neben und in Ausformung dieser grundlegenden chinesischen Position zur Rechtsstellung von Ausländern gilt Art. 5 Abs. 1 ZPG 1991. Danach 'haben Ausländer, Staatenlose, ausländische Unternehmen und Organisationen bei der Klageerhebung vor einem Volksgericht die gleichen prozessualen Rechte und Pflichten wie die Bürger, juristischen Personen und anderen Organisationen der VR China'. 'Nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit verfahren die Volksgerichte' gemäß Art. 5 Abs. 2 ZPG 1991 gegenüber den zivilprozessualen Rechten ausländischer Bürger und juristischer Personen nur dann, wenn 'ausländische Gerichte die zivilprozessualen Rechte eines Bürgers oder einer juristischen Person der VR China einschränken' (vgl. von Senger, S. 495, 496).b) Aus diesen Regelungen folgt die grundsätzliche und allgemeine Bereitschaft der VR China, deutsche Kläger zur Prozeßführung vor den Volksgerichten zuzulassen, ohne ihnen wegen ihrer Ausländereigenschaft eine Prozeßkostensicherheitspflicht aufzuerlegen. Dies reicht aus, um gemäß § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO festzustellen, daß deutsche Kläger in der VR China zur Ausländersicherheitsleistung nicht verpflichtet sind (vgl. auch Horn/Schütze, a. a. O. und Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, a. a. O.). Eine abweichende Rechtspraxis ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.«
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