R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
Logo ruw-online
Logo ruw-online
Suchmodus: genau  
 
 
SRNL 2021, 19
Gutheil 

Geänderte Rechtsprechung des BGH erschwert die Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO

von Marion Gutheil, Düsseldorf

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 06.05.2021 seine Anfechtungsrechtsprechung zu Gunsten der Gläubiger neu ausgerichtet. Die Abwehr gegen diese Ansprüche wird zukünftig erleichtert.

Abbildung 21

Anfechtungsansprüche werden zukünftig für die Masse weniger üppig ausfallen

Das Anfechtungsrecht der Insolvenzordnung (InsO) möchte Vermögensabschöpfungen zugunsten einzelner Gläubiger in der Krise korrigieren und die zunächst entzogenen Vermögenswerte wieder der Gläubigergemeinschaft zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung stellen. Einen wesentlicher Anfechtungstatbestand stellt § 133 InsO, die Anfechtung wegen vorsätzlicher Benachteiligung, dar. Danach unterliegen Rechtshandlungen des Schuldners, die dieser bis zu zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag vorgenommen hat, der Anfechtung, wenn er sie mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und der Gläubiger diesen Vorsatz kannte. Die Anfechtungsfrist beläuft sich im Falle einer Sicherung oder Befriedigung des Gläubigers auf immer noch 4 Jahre.

Ein Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen macht das Problem schnell deutlich – sowohl beim Benachteiligungsvorsatz als auch bei der Kenntnis davon handelt es sich um subjektive Voraussetzungen, also innere Tatsachen, die sich im Nachhinein vom Insolvenzverwalter nur schwer beweisen lassen. In dieser Misere entwickelte der BGH in der Vergangenheit seine Indizienrechtsprechung. Danach wird beim Vorliegen bestimmter objektiver Tatbestandsmerkmale das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen vermutet.

Bisher wollte der BGH aus der objektiven Kenntnis des Schuldners von seiner Zahlungsunfähigkeit oder von Umständen, die für diese sprechen, auf dessen Benachteiligungsvorsatz schließen. Gleichzeitig sollte für den Gläubiger nichts anderes gelten: erkannte dieser die Zahlungsunfähigkeit seines Vertragspartners oder Umstände, die dafür sprachen, so war ihm auch der Benachteiligungsvorsatz des Schuldners bewusst, wenn dieser dennoch Zahlungen leistete. Rückgewährsansprüche, die der Insolvenzverwalter zugunsten der Masse geltend machte, wurden zur Regel, denn die auf der doppelten Vermutungswirkung beruhende Anfechtung eröffnete große Spielräume zur Massemehrung, obwohl die Zahlungsunfähigkeit selten durch eine Liquiditätsbilanz im Anfechtungsprozess belegt wurde, sondern auch hier auf vom Gesetz und der Rechtsprechung entwickelte Beweisanzeichen zurückgegriffen wurde.

Die Zahlungsunfähigkeit wird nämlich gemäß § 17 Abs. 2 S.2 InsO vermutet, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Diese Zahlungseinstellung ergab sich wiederum aus Indizien wie: Nichtzahlung oder verspätete Zahlung an wichtige Gläubiger wie den Vermieter der Gewerbeeinheit als Existenzgrundlage für die betriebliche Tätigkeit, Riskieren strafrechtlicher Konsequenzen durch Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, vermehrte Pfändungsmaßnahmen oder Rücklastschriften, etc. Hatte der Insolvenzverwalter einmal die Zahlungseinstellung zur Überzeugung des Gerichts anhand entsprechender Indizien dargelegt, musste der Gläubiger bisher den Gegenbeweis antreten, dass der Schuldner seine Zahlungen im Allgemeinen wieder aufgenommen hatte. Dies war dem Gläubiger mangels Kenntnis von den Betriebsvorgängen beim SRNL 2021 S. 19 (20)Schuldner nahezu unmöglich und die Verteidigung im Anfechtungsprozess wenig aussichtsreich.

Diese – widerlegliche – Vermutung gilt nach der neuen Rechtsprechung des BGH fort – allerdings nur für inkongruente Rechtshandlungen. Um eine solche handelt es sich immer dann, wenn der Gläubiger nicht genau das erhält, was nach der Parteivereinbarung geschuldet war. Klassische Beispiele sind hier Zahlungen aufgrund von Vollstreckungsdruck oder nach Drohung mit einem Insolvenzantrag sowie Zahlung auf einen (noch) nicht bestehenden Anspruch, oder bei der Überlassung von Ware statt Geld.

Im Falle der kongruenten Deckung, also des klassischen Austauschgeschäftes, bei dem der Gläubiger erhält, was er vereinbarungsgemäß erhalten soll, gilt diese Vermutungskette zunächst weiter. Der Gläubiger soll grundsätzlich darauf vertrauen dürfen, eine ihm zustehende Leistung auch behalten zu dürfen.

Die Anfechtung wird erschwert. Denn nun muss der Schuldner bei Vornahme der Rechtshandlung nicht mehr nur wissen, dass er aktuell nicht alle Gläubiger befriedigen kann, er muss auch wissen oder billigend in Kauf nehmen, dass er auch zukünftig dazu nicht in der Lage sein wird. Damit kann in der Regel bei Vornahme der Rechtshandlung im Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht auf den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz geschlossen werden, da nicht per se ausgeschlossen werden kann, dass sich der Schuldner erholen wird. Der Insolvenzverwalter hat im Anfechtungsprozess nun den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des Gläubigers davon im Wege des Vollbeweises darzutun. Dies wird ihm in der Regel, da es sich um innere Tatsachen handelt, nicht gelingen. Wahlweise kann der Verwalter auch weiterhin den Beweis auf Vermutungsbasis führen. Der Richter hat dies im Anfechtungsprozess nach dem Willen des BGH anhand aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles umfassend zu würdigen. Es bleibt weiterhin möglich, hierfür Beweisanzeichen vorzutragen. Diese müssen aber nicht nur den Schluss auf die Zahlungsunfähigkeit, sondern auch auf die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit nahelegen.

Eine Rückausnahme soll nur dann nach dem Willen des BGH gelten, wenn die Deckungslücke ein „gewisses Ausmaß“ angenommen hat. Was darunter hinsichtlich Höhe und Zeitraum allerdings zu verstehen ist, lässt der BGH offen.

Zukünftig hat auch der Insolvenzverwalter den Vollbeweis der Kenntnis des Gläubigers vom Benachteiligungsvorsatz zu führen, mithin nachzuweisen, dass im Zeitpunkt der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit für den Gläubiger anhand der ihm bekannten Umstände ausgeschlossen ist, dass die übrigen Gläubiger künftig befriedigt werden können.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Will der Insolvenzverwalter in Zukunft in einem Anfechtungsprozess nach § 133 InsO eine kongruente Deckung anfechten und beruft er sich dazu auf Beweisanzeichen, so müssen diese geeignet sein, hinzuweisen auf die

  • (drohende) Zahlungsunfähigkeit

  • den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners

  • die Kenntnis des Schuldners von der fehlenden Möglichkeit der Beseitigung der Illiquidität und damit die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit

  • und die Kenntnis des Gläubigers vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz

Dies wird einen deutlich umfangreicheren Vortrag im Anfechtungsprozess erforderlich machen, dem der Gläubiger zukünftig häufiger mit dem Argument eines schlüssigen Sanierungskonzeptes, das vorgelegen hat, wird begegnen können.

Das Anfechtungsrecht bleibt konfliktträchtig. Daran wird die aktuelle Entscheidung des BGH nichts ändern.

Abbildung 22

Marion Gutheil, verantwortlich für den Düsseldorfer Standort der MÖNIG Wirtschaftskanzlei, ist seit über 20 Jahren im Sanierungs- und Insolvenzbereich tätig. Sie ist Fachanwältin für Insolvenzrecht, Mediatorin und seit mehr als 10 Jahren bestellte Sachwalterin und Insolvenzverwalterin. Daneben unterstützt sie Unternehmen in der Restrukturierung sowie der Vorbereitung und Begleitung von Eigenverwaltungsverfahren und bietet juristische Beratung und Prozessvertretung im insolvenznahen Bereich an.

 
stats