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SRNL 2024, 14
Zimmermann 

Scheinsicherheit

von Franc Zimmermann, Gifhorn

Abbildung 14

Achtung vor dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz

Im Insolvenzfall müssen sich Sicherungsrechte bewähren. Die Rechtsordnung kennt im Wesentlichen zwei Sicherungsrechte an Sachen, Absonderungsrechte gem. §§ 49-51 InsO und Aussonderungsrechte gem. §§ 47, 48 InsO. Innerhalb von (vorläufigen) Insol-venzverfahren von Unternehmen und Einzelhändlern ist es Sache des Lieferanten, die das Aus- oder Absonderungsrecht begründenden Umstände im Einzelnen darzulegen und zu beweisen.

Gerade bei Warenlieferanten erfolgt die Lieferung in der Regel unter Eigentumsvorbehalt (einfacher, erweiterter, verlängerter). Bei wirksamer Bestellung des Eigentumsvorbehaltes hat der Lieferant ein entsprechendes Aussonderungsrecht inne. Zumeist reklamieren unmittelbar nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung oder aber Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigentumslieferanten ihre Rechte und belegen zwar, dass im Rahmen des Erwerbsvorgangs Eigentumsvorbehaltsrechte vereinbart wurden. Jedoch wird hierbei zumeist nicht berücksichtigt, dass bei vertretbaren Sachen die Individualisierung nicht gelingen kann und damit das Sicherungsrecht im (vorläufigen) Insolvenzverfahren nicht durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter berücksichtigt werden darf. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter ist gem. § 38 InsO an den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz gebunden mit der Folge, dass der (vorläufige) Insolvenzverwalter etwa im Rahmen einer Betriebsfortführung und Verwendung von Waren nur solche Waren für die Betriebsfortführung und einen etwaigen Weiterverkauf durch Zahlung ablösen darf, an denen die entsprechenden Sicherungsrechte nachgewiesen sind.

Grundlegend für die Beurteilung, ob das Sicherungsrecht wirksam eingeräumt wurde und damit „insolvenzfest“ ist, ist der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz. Hiernach muss für jeden objektiven Dritten exakt erkennbar sein, welcher spezifische Ge-genstand mit welchem konkreten Recht belastet ist. Es muss demnach genau bestimmt sein, welche konkret bezeichnete Sache mit welchem konkreten Recht belastet ist. Die Bestimmtheit muss im Zeitpunkt der Einigung gegeben sein (vgl. BGHZ 73 S. 253 f.; BGH Urt. v. 13.01.1992 – II ZB 11/19). In Bezug auf Waren, welche mit individualisierten Seriennummern versehen sind, SRNL 2024 S. 14 (15)stellt dies in der Regel kein Problem dar. Bei vertretbaren Sachen, die in einer Vielzahl am Markt verfügbar sind, jedoch nicht individualisiert sind (Warenvorräte) ist zwar zumeist festzustellen, dass Sicherungsrechte zu Gunsten des Lieferanten vereinbart wurden, jedoch der sachenrechtliche Be-stimmtheitsgrundsatz nicht beachtet wurde, mit der Folge, dass das Sicherungsrecht nicht anzuerkennen ist. Es ist auch nicht ausreichend, bei Bestellung der Sicherung auf Gattungsarten abzustellen, wie der BGH in seiner Entscheidung vom 16.12.2022 (V ZR 174/21) klargestellt hat.

Solche Sammelbezeichnungen führen dazu, dass hierdurch der Bestimmtheitsgrundsatz nicht gewahrt wird. Der BGH begründet dies damit, dass ein außenstehender Dritter nicht ohne außervertragliche Erkenntnisquellen (Warenbücher, Rechnungen etc.) bestimmen könne, welche der Sammelbezeichnung unterfallende Gegenstände betroffen sein sollen. Auch hat der BGH klargestellt, dass Formeln und Beschreibungen, die nur mit Hilfe außervertraglicher Erkenntnisquellen geeignet sind, die betroffenen Waren von anderen Waren zu unterscheiden oder Kennzeichnungen durch rein funktionale Begriffe für einen Dritten nicht hinreichend deutlich machen, welche Sachen betroffen sind, mit der Folge, dass der sachenrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz nicht erfüllt ist.

Bereits 1991 hatte der Bundesgerichtshof entschieden (vgl. BGH, Urt. v. 14.04.1991 IX – ZR 149/90), dass die Bezeichnung von Sicherungsgut lediglich nach der Gattung („Bleche“, „Formstahl“, „Rohre“) selbst dann nicht als ausreichend angesehen werden kann, wenn der Lagerhalter oder eine Ordernummer genannt sind.

Gerade im Insolvenzfall des Textileinzelhändlers, jedoch auch sonstiger Händler führt dies zu Verlusten der Lieferanten. Die einzige Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, ist entweder, jedes einzelne Lieferstück zu individualisieren, was beispielsweise bei Textil-händlern mittlerweile teilweise erfolgt, jedoch einen hohen Aufwand nach sich zieht, oder ein räumlich getrennter Bereich bestimmt wird, für welchen die Sicherungsrechte vereinbart werden.

Abbildung 15

Dr. Franc Zimmermann ist Fachanwalt für Insolvenz- und Sanierungsrecht und Partner der Kanzlei Mönning Feser Partner. Er ist spezialisiert auf die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen und wird seit 2008 überregional mit Schwerpunkten in Niedersachsen und Berlin als Insolvenzverwalter und Sachwalter bestellt. Seitdem hat Zimmermann mehr als 2.000 Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren betreut.

 
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