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SRNL 2023, 21
Mönning 

Wieder ein neues Modul: Was soll PPP bringen?

von Prof. Dr. R.-D. Mönning, Aachen

Abbildung 26

Neuer Plan?

Das Insolvenzrecht ist bekanntlich eine Dauerbaustelle, die nie stillsteht. An der ständig weiter gewerkelt und auch mal wieder abgerissen und neu gebaut wird. So dass man nur hoffen kann, dass irgendein Planer noch die Übersicht hat und sich die Nutzer in dem verschachtelten Konstrukt noch zurechtfinden. Im Insolvenzrecht ist die Praxis noch damit beschäftigt, die mit dem zum 01.01.2021 in Kraft getretenen SanInsFoG eingeführten Neuerungen, hier insbesondere das Reorganisationsverfahren nach dem StaRUG, zu verarbeiten. Und schon kommt aus Europa ein neuer Richtlinienentwurf, der mit dem sogenannten Pre-Pack-Verfahren (PPP) die nächste Neuerung enthält. Vorbild für das PPP-Verfahren ist das 2014 in den Niederlanden eingeleitete Insolvenzverfahren eines Fisch- und Meeresfrüchtegroßhandels (Heiploeg). Hier hatte das zuständige Insolvenzgericht einen „designierten Insolvenzverwalter“ bestellt und konkrete Weisungen erteilt, um bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Veräußerung des Unternehmens an einen Erwerber unter Fortführung betriebsnotwendiger Verträge bei deutlich reduzierter Belegschaft zu ermöglichen, wobei die Umsetzung erst nach Insolvenzeröffnung erfolgte. Die hiergegen von den niederländischen Gewerkschaften eingelegten Beschwerden blieben erfolglos. Auch der zuletzt angerufene EuGH bestätigte mit Urteil vom 28.04.2022 die vom Insolvenzgericht getroffenen Maßnahmen, forderte aber aus Gründen der Rechtssicherheit eine Regelung durch verbindliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften (EuGH-Urteil v. 28.04.2022, C-237/20).

Dazu hat die EU-Kommission am 07.12.2022 Regelungen vorgeschlagen, mit denen die vorinsolvenzliche Vorbereitung eines Unternehmenskaufs ermöglicht werden soll. Zugeschnitten ist das Verfahren auf die Fälle, in denen es für ein angeschlagenes Unternehmen ein konkretes Erwerbsinteresse gibt, das ohne zeitliche Verzögerung bereits vor Eröffnung eines SRNL 2023 S. 21 (22)Insolvenzverfahrens verhandelt, durchgeplant und bis in die Details vorbereitet wird, während die Umsetzung des Verkaufs erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Definiert ist das PPP-Verfahren als ein zügiges Liquidationsverfahren, indem der vollständige oder teilweise Verkauf eines fortgeführten Unternehmens an den Bestbieter mit dem Ziel der Liquidation der Vermögenswerte des Schuldners in Folge der festgestellten Insolvenz vorgesehen ist.

Danach beginnt das Verfahren mit der Vorbereitungsphase (Art. 22 bis 24) unter Mitwirkung eines sogenannten Monitors, der in der deutschen Übersetzung des Richtlinienentwurfs als Sachwalter bezeichnet wird. Diese Person wird vom Schuldner ausgesucht und vom Insolvenzgericht bestellt. Dabei haben Gläubiger keine Mitspracherechte.

Unter Aufsicht des Monitors erfolgt die Durchführung und Dokumentation eines transparenten und marktgerechten Verkaufsprozesses unter Auswahl des besten Bieters bei Berücksichtigung des Kriteriums der bestmöglichen Wahrung des Gläubigerinteresses. Es muss gewährleistet sein, dass kein Gläubiger im Rahmen des PPP-Verfahrens schlechter gestellt wird als im Falle einer Zerschlagung.

Im zweiten Schritt wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der bereits vorbereitete Unternehmenskaufvertrag abgeschlossen und umgesetzt. Dabei können auch gegen den Willen beteiligter Vertragspartner „zwingend erforderliche und noch zu erfüllende Verträge“ auf den Erwerber übergehen. Damit soll sichergestellt werden, dass ein funktionsfähiges Unternehmen übertragen wird. Flankiert wird der Prozess durch einen bereits in der Vorbereitungsphase angeordneten Vollstreckungsschutz, der störende Eingriffe von Gläubigern verhindert. Da die Durchführung des Vertrages erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, ist sichergestellt, dass Verbindlichkeiten des Schuldners nicht auf den Erwerber übergehen. Offen sind die arbeitsrechtlichen Wirkungen. Im Fall Heiploeg ist der im Zusammenhang mit dem vorbereiteten Unternehmenskauf durchgeführte Personalabbau am Ende von den Gerichten bestätigt worden.

Der EU-Richtlinienvorschlag ist auf breite Kritik gestoßen. In einem Beitrag von Weitzmann für die Fachzeitschrift ZInsO wurde er als „Geisterfahrer ohne Fahrerlaubnis“ kritisiert. Derzeit ist völlig unklar, ob der Richtlinienentwurf, der neben dem PPP-Verfahren auch noch ein verwalterloses Insolvenzverfahren für Kleinunternehmen vorsieht, jemals den Weg in die nationalen Insolvenzordnungen findet. Betrachtet man den Entwurf zum PPP-Verfahren nüchtern, stellt man fest, dass die deutsche Praxis sich längst ähnlicher Strukturen bedient. Um die Segnungen des Insolvenzgeldes und seiner Vorfinanzierung nutzen zu können, wird sein zeitlicher Rahmen (3 Monate) regelmäßig ausgeschöpft und genutzt, um im Eröffnungsverfahren einen Unternehmenskauf vorzubereiten, indem frühzeitig ein M & A-Prozess eingeleitet wird, um das Kaufinteresse auszuloten und im Erfolgsfall bereits das gesamte Vertragswerk einschließlich der flankierenden arbeitsrechtlichen Regelwerke (Interessenausgleich, Sozialplan, Transfermaßnahme) zu verhandeln. Das gesamte Vertragswerk wird abschließend vorbereitet, so dass am Tag der Insolvenzeröffnung mit Zustimmung eines spätestens dann eingesetzten Gläubigerausschusses die Umsetzung erfolgen kann. Problematisch am Entwurf ist vor allem die mangelnde Beteiligung der Gläubiger in der Vorbereitungsphase. Clevere oder gut beratende Schuldner erhalten ein treffliches Instrument, um die Übertragung des Unternehmens frei von Verbindlichkeiten an einen vorbestimmten Erwerber zu gestalten, weil bereits ein einziges Angebot mit Bindungswirkung den vom Monitor zu ermittelnden Marktpreis des Unternehmens abbilden kann. Die erst vor 10 Jahren mit der Einführung des ESUG (Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen) bewirkte Stärkung der Gläubigerbeteiligung würde jedenfalls mit dem PPP-Verfahren in seiner jetzigen Ausgestaltung wieder kassiert.

Getreu dem Lied, das Handwerker auf Baustellen in der DDR sangen: „Wir bauen auf und reißen nieder so gibt es Arbeit immer wieder!“

Abbildung 27

Professor Dr. Rolf-Dieter Mönning (Mönning Feser Partner) gründete 1980 die Kanzlei Mönning & Georg und zählt zu den führenden Verwaltern und Restrukturierungsberatern (erneut: „Beste Anwälte im Bereich Restrukturierung und Insolvenz“ Handelsblatt 2020). Er wird seit 1979 mit der Abwicklung von Konkurs-, Vergleichs-, Gesamtvollstreckungs- und Insolvenzverfahren und der Beratung von Krisenunternehmen beauftragt und hat bis heute über 3.500 Verfahren aller Größenordnungen mit Schwerpunkt Fortführung und Sanierung bearbeitet. Er veröffentlicht und referiert regelmäßig im In- und Ausland zu insolvenzrechtlichen Themen und ist u.a. Herausgeber und Autor des Handbuchs „Betriebsfortführung in Restrukturierung und Insolvenz“. Bis zur Emeritierung war er Professor für Unternehmensrecht an der Fachhochschule Aachen.

 
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