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SRNL 2022, 8
Voitzsch 

c) Sanierungsinstrumente

von Sebastian Voitzsch, Münster

Abbildung 8

Gute Planung beginnt mit sorgfältiger Analyse

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt, so lautet ein Sprichwort, was wohl nur in wenigen Bereichen so zutreffend ist, wie in der Sanierung. Hat die Geschäftsführung durch die etablierten Frühwarnsysteme erkannt, dass eine Krise droht – oder möglicherweise schon da ist – gilt es, die richtigen Mittel dagegen einzusetzen. Dabei wird Krise in diesem Zusammenhang so verstanden, dass die üblichen Maßnahmen der Geschäftsführung nicht ausreichend sind, um der Schieflage zu begegnen. Sind die verschiedenen Instrumente der Sanierung bekannt, kann umso früher begonnen werden, an der Bewältigung der Krise zu arbeiten.

Solange keine Insolvenzgründe vorliegen, also weder Zahlungsunfähigkeit eingetreten ist noch Überschuldung vorliegt, besteht die Möglichkeit, ein außergerichtliches Sanierungsverfahren ganz außerhalb des Sanierungsrechts durchzuführen. Es ist die für alle Beteiligten am wenigsten einschneidende Maßnahme; das Stigma der „Insolvenz“ wird vermieden. Damit sind indes die Vorteile dieses Verfahrens beinahe abschließend beschrieben. Insolvenzspezifische Instrumente – Sonderkündigungsrechte, verkürzte Kündigungsfristen, Insolvenzgeld etc. – stehen nicht zur Verfügung. Das ist konsequent – schließlich ist die außergerichtliche Sanierung ja gerade kein Insolvenzverfahren. Vielmehr geht es darum, das Unternehmen z.B. durch Anpassung der Belegschaftsstärke, Aufstockung der Kreditlinien, aber auch durch Stundungen oder gar einen Schuldenschnitt neu aufzustellen und an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen. Da man sich im üblichen rechtlichen Rahmen bewegt und keinerlei Sonderrechte in Anspruch genommen werden können, muss man mit allen Beteiligten separat verhandeln, was im Regelfall entsprechend zeitaufwändig ist. Je nach dem Ergebnis der Verhandlungsbemühungen und dem verfügbaren Zeitrahmen kann dies den Sanierungsversuch zum Scheitern bringen. Im Regelfall wird diese Variante nur möglich sein, wenn die Krise schwach ausgeprägt ist, die Ursachen SRNL 2022 S. 8 (9)ausgemacht und verhältnismäßig einfach zu beheben sind. Dann kann die Verhandlung mit einem Großgläubiger durchaus die nötige Zeit verschaffen, um die Neuausrichtung zu ermöglichen. Notwendig dafür ist auch ein besonders sensibles Gespür für die Krise bzw. ein gut funktionierendes Frühwarnsystem. Darüber hinaus besteht beim Scheitern der Sanierung auch für die unterstützenden Gläubiger ein hohes Risiko: die Sanierungsbeiträge sind nicht insolvenz- und anfechtungsfest, sodass die Gläubiger Gefahr laufen, für die Sanierung zweimal bezahlen zu müssen.

Spätestens mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist es mindestens riskant, auf eine Sanierung ohne spezielle Insolvenzinstrumente zu setzen. Zu groß ist die Gefahr, den Eintritt der Insolvenzreife zu verpassen – oder aber davon auszugehen, dass die bereits eingeleitete Sanierung gelingt und sich darauf zu verlassen. In einem später eröffneten Insolvenzverfahren wird der genaue Eintritt der Insolvenzreife ermittelt – mit häufig sehr unangenehmen Folgen für die Geschäftsleitung, vor denen auch der neue § 15b InsO, der in gewissem Rahmen Zahlungen nach Insolvenzreife privilegiert, die „in guter Absicht“ geleistet worden sind, nicht schützt. Denn die dort aufgestellten Regeln setzen den Sanierungsversuchen sehr enge Grenzen. Eine gewisse Erleichterung bietet die außergerichtliche Sanierung nach dem StaRUG. Deren Voraussetzung ist ebenfalls, dass allenfalls drohende Zahlungsunfähigkeit besteht – also keine Insolvenzantragspflicht. Kernbestandteil des StaRUG-Verfahrens ist der Restrukturierungsplan, in dem – ähnlich einem Insolvenzplan – die rechtliche Stellung der Betroffenen in verschiedenen Gruppen neu gestaltet werden kann. Dabei wird insbesondere zwischen den Inhabern besicherter und unbesicherter Forderungen sowie Anteilseignern differenziert. Für diese Planbeteiligten lassen sich unterschiedliche Regelungen im Restrukturierungsplan vorsehen. Im Gegensatz zum „richtigen“ Insolvenzplan sind jedoch einige Forderungen ausgenommen – beispielsweise solche von Arbeitnehmern. Das Thema ist komplex und verlangt – nicht zuletzt wegen des einzureichenden Restrukturierungsplans – solide Beratung und kompetente Begleitung, die mit entsprechenden Kosten verbunden ist, die aus den ohnehin knappen Mitteln des Unternehmens abgezweigt werden müssen.

Mit dem Eintritt der Insolvenzreife ist der Weg für außergerichtliche Sanierungen versperrt. § 15a InsO verlangt sanktionsbewehrt, dass in diesem Fall ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Doch auch für diesen Fall sieht das Instrumentarium des Insolvenz- und Sanierungsrechts neben dem „normalen“ Regelinsolvenzverfahren einige Varianten vor.

Im Rahmen der (vorläufigen) Eigenverwaltung (§ 270b InsO) besteht die Möglichkeit, die Kontrolle des Unternehmens selbst zu behalten und lediglich einen vorl. Sachwalter als „Aufsichtsorgan“ zu etablieren. Das Verfahren schafft die Möglichkeit, das Unternehmen aus sich selbst heraus zu sanieren und einen Insolvenzplan umzusetzen. Dabei können alle insolvenzrechtlichen Sanierungsmittel zum Einsatz kommen – einschließlich verkürzter Kündigungsfristen, Insolvenzgeld und anderes mehr.

Eine abgeschwächte Variante dessen ist das Schutzschirmverfahren (§ 270d InsO). Wie sich aus der Gesetzesüberschrift „Vorbereitung der Sanierung“ ergibt, dient dieses Verfahren dazu, die eigentliche Sanierung über einen Plan vorzubereiten. Als rein vorbereitendes Verfahren ist die Dauer auf maximal drei Monate begrenzt. Innerhalb dieser Frist muss das Unternehmen einen dann umzusetzenden Sanierungsplan vorlegen. Aber bereits bei Einleitung des Schutzschirmverfahrens muss die Sanierung in groben Zügen feststehen: § 270d InsO verlangt schon mit Einreichung des Antrages die Vorlage einer Bestätigung eines qualifizierten Beraters, dass die Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos ist. Diese Bescheinigung wird nur erlangen, wer die Grundzüge der Sanierung bereits geplant hat und nur noch wenige Stellschrauben in der zur Verfügung stehenden Frist nachjustieren muss. Weitere Voraussetzung ist, dass keine akute Zahlungsunfähigkeit besteht: das Verfahren ist nur zulässig bei drohender Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung.

Schließlich steht das Regelinsolvenzverfahren zur Verfügung. Auch dieses sieht verschiedene Mittel vor, um das Unternehmen nicht zu zerschlagen, sondern zu sanieren. Neben dem Planverfahren, in dem – ebenso wie beim Restrukturierungsrahmen – die Rechtsstellung der Beteiligten neu geordnet werden kann, ist eine übertragende Sanierung ein häufig genutztes Instrument. Dabei werden diejenigen Unternehmensbestandteile – häufig auch das gesamte Unternehmen, nur eben ohne die belastenden Verbindlichkeiten – auf einen neuen Unternehmensträger übertragen und von diesem von Altlasten befreit fortgeführt.

In allen Verfahrensarten besteht für die Geschäftsleitung des zu sanierenden Unternehmens die Möglichkeit, sich einzubringen und gestaltend mitzuwirken. Auch im Regelinsolvenzverfahren wird der Insolvenzverwalter auf die Unternehmensführung angewiesen sein, um das Unternehmen vorläufig weiterzuführen und ggfls. einen Erwerber / Investor zu finden. Im Regelfall kennt niemand den Geschäftsbereich so gut wie die Unternehmensleitung – einschließlich der Lieferbeziehungen und der Konkurrenz, die es stets im Auge zu behalten gilt. Je besser die Frühwarnsysteme funktionieren und je eher sich die Geschäftsführung mit den sich abzeichnenden Problemen befasst und diese nicht „wegdefiniert“, umso besser sind die Aussichten, das Unternehmen langfristig zu sichern und zu erhalten.

Abbildung 9

Sebastian Voitzsch ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht. Nach zweijähriger Tätigkeit in einer ehemaligen OLG-Kanzlei, die seine vorhandene Vorliebe für alle Bereiche der Prozessführung weiter verstärkt hat, gehört er seit 2009 zum Team der MÖNIG Wirtschaftskanzlei. Hier vertritt er die Bereiche (Insolvenz-)Arbeits- und Prozessrecht. Da der beste Prozess, der ist, der nicht geführt werden muss, berät und vertritt er Mandanten auch ohne bzw. zur Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen.

 
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