Editorial
Im Zentrum von Heft 3 stehen aktuelle Fragestellungen aus dem EEG (flexible Netzanschlussvereinbarung sowie Rückspeisung von EE-Strom in vorgelagerte Netze) sowie wieder die Frage der Unabhängigkeit von Regulierungsbehörden, hier mit Blick auf die Entscheidung des EuGH vom 6. 3. 2025 (Alajärven Sähkö Oy u. a.):
Der Aufsatzteil beginnt mit einem Beitrag von Schwintowski zum aktuell häufig diskutierten Thema der flexiblen Netzanschlussvereinbarungen (fNAV oder fNV) nach § 8a EEG und § 17 Abs. 2b EnWG. Europarechtlich vorgegeben, sollen sie dafür sorgen, dass die knappen Netzkapazitäten einspeiseseitig wie bezugsseitig besser ausgenutzt und so „Zeit und Geld“ gespart werden kann. Dies wird möglich, indem EEG-Anlagenbetreiber – oder im Fall des § 17 Abs. 2b EnWG nichtregenerative Erzeuger oder Bezieher von Strom – anstelle eines „Vollanschlusses“ ihre Rechtsstellung auf Einspeisung oder Bezug vertraglich einschränken, weil sie so andere Vorteile erlangen, etwa einen schnelleren und günstigeren Netzanschluss. Der Beitrag nimmt die zentrale Frage auf, inwieweit Netzbetreiber eine solche Vereinbarung nur anbieten können oder dies auch müssen bzw. zur Annahme eines entsprechenden Vertragsangebots verpflichtet sind: Der Begriff können muss danach im Zusammenhang mit § 17 Abs. 1 EnWG und § 8 Abs. 1 EEG interpretiert werden. Daraus ergebe sich, dass können in den §§ 17 Abs. 2b EnWG/8a EEG als Unterfall der gesetzlich festgeschriebenen Anschlussverpflichtung anzusehen sei, die der Netzbetreiber zu erfüllen habe. – In der Tat würde ein Anspruch der Anschlusskunden für mehr Rechtsklarheit sorgen. Es zeichnen sich jedoch eine Vielzahl an Ausgestaltungsvarianten ab (u. a. unterschiedliche Überbauungs-Konzepte, Strombezugs-Flexibilisierungen, Speicherintegration, zeitliche Staffelungen und Begrenzungen), so dass ein gesetzlicher Anspruch nicht nur das „ob“, sondern auch Vorgaben für ein sinnvolles „wie“ der fNAV umfassen sollte.
Ein weiteres aktuelles Thema zum Netzanschluss von EEG-Anlagen behandeln sodann der Autor dieser Zeilen und zwei Mitautoren (Altrock/Dost/Ufer). Der Beitrag skizziert den Rechtsrahmen für „Rückspeisungen“ von EE-Strom in vorgelagerte Netzebenen aus den §§ 8, 11, 12 EEG und den §§ 17 ff. EnWG. Die Schnittstelle zwischen insb. dem Mittelspannungs- und den Hochspannungsnetz erweist sich aktuell als eine Achillesverse der Transformation im Stromsektor. Versuche, Verantwortlichkeiten für Netzausbau und Entschädigungszahlungen im RD auf nachgelagerte Netzebenen zu delegieren, sind Gegenstand des anwaltlichen Tagesgeschäfts geworden. Der Beitrag versucht zu belegen, dass letztlich jeder Netzbetreiber für den Ausbau seines Netzes selbst verantwortlich ist, wenn es um Abnahme, Übertragung und Verteilung von EE-Strom über sein Netz geht. Vertraglich fixierte Einspeiseleistungen zwischen Netzbetreibern können nicht dazu führen, dass „hochdrückender“ EE-Strom zu einer Nutzung eines vorgelagerten Netzes durch einen nachgelagerten Netzbetreiber führt. Der vorgelagerte Netzbetreiber bleibt also (trotz aller widrigen Umstände) zum möglichst zeitnahen Netzausbau verpflichtet und schuldet bis zu dessen Abschluss ggf. Entschädigungszahlungen nach den §§ 13a ff. EnWG.
Besonders freut sich die Redaktion über den Beitrag von Herrn Prof. Komninos Komnios (International Hellenic University Saloniki) zum Urteil des EuGH vom 6. 3. 2025 in der Rechtssache C-48/23 (Alajärven Sähkö Oy u. a.). Dieses reiht sich ein in eine bedeutende Serie von Entscheidungen zur Auslegung und praktischen Anwendung des Grundsatzes der Unabhängigkeit der nationalen Energieregulierungsbehörden. Das Urteil bezieht sich auf die sensible Grenzziehung zwischen der legitimen Ausübung nationaler Energiepolitik durch die Mitgliedstaaten und der Sicherung der regulatorischen Autonomie der NRB. Vorliegend geht es um gesetzgeberische Initiativen, die – obwohl sie formell nicht unmittelbar in regulatorische Zuständigkeiten eingreifen – erkennbar politischen Zielen dienen, etwa, um zentrale Marktparameter wie die Stromverteilungsentgelte zu beeinflussen. Der Autor zeigt die sich ergebende funktionale demokratische Legitimation entlang der Akteurskette: Gesetzgeber – Rahmenrecht – unabhängige Fachbehörde und Gerichte. Dabei sei eine ministerielle Weisungskette nicht erforderlich – entscheidend sei, dass Entscheidungen transparent begründet würden, dass Betroffene effektiv klagen könnten und dass sich das methodische Instrumentarium jederzeit an objektive Daten anpassen lasse. Gerade dieses Zusammenspiel wahre sowohl Marktdisziplin als auch rechtsstaatliche Rechenschaft und bewahre damit die Glaubwürdigkeit des europäischen Energieregimes.
Schließlich befassen sich Otto/Kindler in ihrem sehr lesenswerten Beitrag mit sog. Vorbehaltsklauseln in Verträgen, mit denen Betreiber von Wind- und Solaranlagen sich zu Zahlungen an von den Anlagen räumlich betroffene Gemeinden verpflichten (etwa nach § 6 EEG): Einige Anlagenbetreiber versuchen, ihre Verpflichtungen zur finanziellen Beteiligung von Einwohnern sowie Gemeinden am Ertrag neuer Wind- und Solarenergieanlagen dadurch abzusichern, dass sie den Abschluss von Beteiligungsverträgen unter der Bedingung der Weiterberechnungsfähigkeit bzw. Erstattungsfähigkeit durch den Netzbetreiber nach § 6 Abs. 5 EEG 2023 anbieten. Der Beitrag erläutert diese Vorbehaltsklauseln anhand des Bürgerenergiegesetzes NRW. Es ergibt sich: Anders als die nur fakultative Regelung in § 6 Abs. 1 Satz 1 EEG 2023 normiert das BürgEnG NRW verbindliche Vorgaben zur Beteiligung, flankiert durch Sanktionsmechanismen wie eine Ausgleichsabgabe bei Nichterfüllung. Vorbehaltsklauseln in Beteiligungsvereinbarungen, die eine Zahlung an die Erstattungsfähigkeit bzw. Weitererrechnungsmöglichkeit durch den Netzbetreiber nach § 6 Abs. 5 EEG 2023 knüpfen, bergen danach das Risiko, dass Gemeinden trotz Vereinbarung leer ausgehen könnten, wenn die Erstattung durch den Netzbetreiber ausbliebe. Die Möglichkeit, stattdessen die Ersatzbeteiligung geltend zu machen, könne dann blockiert sein. Vor diesem Hintergrund sei kommunalen Entscheidungsträgern zu raten, keine Beteiligungsvereinbarungen mit Vorbehaltsklauseln abzuschließen.
Für den Rechtsprechungsteil wurden 25 aktuelle Entscheidungen ausgesucht, die diesmal überwiegend verwaltungsrechtliche Streitigkeiten zum Gegenstand haben.
Viel Spaß beim Lesen!
Dr. Martin Altrock