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CNL 2021, 7
Reusch 

Produkt-Compliance ganzheitlich betrachet

Die rechtlichen Entwicklungen verändern auch das Thema Produkt-Compliance. Eine ganzheitliche systemische Betrachtung der produktbezogenen Compliance ist darum bereits heute oder zumindest künftig erforderlich, ist Philipp Reusch sicher. Lesen Sie hier Auszüge seines Beitrags „Produkt-Compliance – Entwicklungen und Ausblick“, der in CB 5/2021 erscheinen wird.

Abbildung 7

Illegale Abholzung: Unternehmen müssen sich in Bezug auf die Produkt-Compliance auch fragen, ob das verwendete Holz nach den rechtlichen Anforderungen des Ursprungslandes geschlagen wurde.

Während das Aufsetzen von Compliance-Management-Systemen (CMS) insbesondere für Aspekte des Wirtschaftsstrafrechtes, wie bspw. Korruption, Betrug oder Geldwäsche, je nach Größe und Komplexität oder Tätigkeitsfeld des Unternehmens heute bereits üblich ist, werden Aspekte der Produkt-Compliance weiterhin häufig ausschließlich auf operativer Ebene in den Forschungs- und Entwicklungs- oder Qualitätsmanagementabteilungen adressiert. Denn der bisher gängige Begriff der Produkt-Compliance befasst sich auf operativer Ebene vornehmlich mit Risiken des Nutzers für Leib und Leben, Körper und Gesundheit sowie (anderer) Sachen.

In jüngerer Vergangenheit sind vermehrt Gesetze oder Gesetzesinitiativen zutage getreten, die zwar zweifelsfrei einen Produktbezug aufweisen können, jedoch nicht unter dieses bisherige Verständnis der Produkt-Compliance zu subsumieren sind.

Unter anderem der Referentenentwurf für ein Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten, die Europäische Initiative Sorgfaltspflichten in der Lieferkette und das sog. Verbandssanktionengesetz, das seit dem 16. Juni 2020 in Form eines Regierungsentwurfs vorliegt, haben zunächst offenkundig gemeinsam, dass sie keine konkreten Anforderungen an Produkte an sich stellen, sich jedoch aufgrund ihrer Stoßrichtung mittelbar auf Produkte beziehen bzw. sich hierauf auswirken.

Während sich bisher auf operativer Ebene beispielsweise die Frage gestellt wird, ob das verwendete Holz eines Produktes die Konzentrationsgrenzen von Formaldehyd und somit die ChemVerbotsV einhält und hieraus gegebenenfalls ein Schaden entstehen kann, muss sich künftig zusätzlich gefragt werden, ob das verwendete Holz nach den rechtlichen Anforderungen des Ursprungslandes geschlagen wurde und ob der Bezug dieses Holzes keine negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte oder die Umwelt vor Ort hat.

Diese exemplarische Fragestellung zeigt bereits, dass es hier um Aspekte geht, die weit über die operative Ebene der Produkt-Compliance hinausgehen. Die nun zu etablierenden Sorgfaltspflichten der Lieferkette, die zweifelsfrei auch einen konkreten Produktbezug haben, lassen sich nicht den in der Produkt-Compliance allgegenwärtigen Verkehrssicherungspflichten der Produzentenhaftung zuordnen, namentlich: Konstruktions-, Fabrikations-, Instruktions- und Produktbeobachtungspflicht.

Das Lieferantenmanagement kann zwar grundsätzlich als Teil der Fabrikationspflicht verstanden werden, zielt diesbezüglich jedoch wieder primär auf etwaige Risiken des Nutzers für Leib und Leben, Körper und Gesundheit ab und nicht etwa auf die Beachtung der Menschenrechte oder etwaiger negativer Einflüsse auf die Umwelt vor Ort.

Weiterhin müssen die Pflichten der neuen gesetzlichen Regelungen zwar zweifelsfrei auf operativer Ebene gelebt und ausgefüllt werden. Es handelt sich hierbei jedoch um systemische Anforderungen für die interne Organisation des Unternehmens, die allein auf dieser operativen Ebene weder umsetzbar noch handhabbar sind.

Es müssen folglich sachgerechte Prozesse und Systeme entwickelt werden, die die genannten Anforderungen übergreifend innerhalb des Unternehmens abdecken und auf deren Basis generell gegenüber den zuständigen Behörden glaubhaft gemacht und nachgewiesen werden kann, dass diesen Pflichten nachgekommen wird.

Unternehmen sollten also die bisher regelmäßig anzutreffende operative Verortung der produktbezogenen Pflichtenkreise auf eine systemische Ebene heben. Der systemische Ansatz trägt hierbei auch der Interdisziplinarität der Produkt-Compliance Rechnung, da hier weder technische noch fachliche/rechtliche Experten allein das gesamte Spektrum der Anforderungen abdecken können.

Treffen Sie Philipp Reusch und erfahren Sie mehr zum Thema Produkt-Compliance am 11. und 12. Mai 2021 beim Product Compliance Dialog (#pcd21). Als Plattform zum fachlichen Austausch für alle, die mit den Themen Produktsicherheit, Regulatory Affairs und Umweltrecht im weitesten Sinne befasst sind, richtet sich die Veranstaltung schwerpunktmäßig an die Wirtschaftsakteure aus der Konsumgüterindustrie, die Marktaufsichtsbehörden und Prüfstellen. Programm, Anmeldung und weitere Informationen unter: Productcompliancedialog.de

Hinzu kommt diesbezüglich insbesondere auch das Damoklesschwert der Verbandsgeldsanktion auf Basis des Entwurfes des Verbandssanktionengesetzes. Die dort niedergelegten, teilweise als drastisch beschriebenen, Strafen können durch sachgerechte Systeme zumindest einen Teil ihres Schreckens verlieren.

Philipp Reusch

Abbildung 8

Philipp Reusch, RA, ist Gründer und Partner bei Reusch Rechtsanwälte in Berlin. Er berät nationale und internationale Unternehmen in haftungsrechtlichen Fragen und im Produktrecht. Sein ursprünglicher Branchenfokus auf Unternehmen der Maschinenbau- und Automobilzuliefererindustrie wurde mittlerweile auf Unternehmen der Konsumgüterindustrie sowie Hersteller von Medizin- und Kosmetikprodukten erweitert. Er ist Co-Head der Digital Business Group bei reuschlaw.

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