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SRNL 2021, 3
Gutheil 

Die neuen Regeln der Eigenverwaltung – Zurück in die Zukunft

von Marion Gutheil, Düsseldorf

Mit dem am 01.01.2021 nach nicht einmal dreimonatigem Gesetzgebungsverfahren in Kraft getretenen SanInsFoG (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz) hat der Gesetzgeber die Regeln für eine Insolvenz in Eigenverwaltung deutlich verschärft. Dies hat zur Folge, dass eine noch frühzeitigere und umfassendere Planung des Schrittes zur Sanierung von Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung unerlässlich wird.

Abbildung 3

Ist der Zug schon abgefahren?

Die neuen Regeln der Eigenverwaltung – Zurück in die Zukunft Mit dem am 01.01.2021 nach nicht einmal dreimonatigem Gesetzgebungsverfahren in Kraft getretenen SanInsFoG (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz) hat der Gesetzgeber die Regeln für eine Insolvenz in Eigenverwaltung deutlich verschärft. Dies hat zur Folge, dass eine noch frühzeitigere und umfassendere Planung des Schrittes zur Sanierung von Unternehmen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung unerlässlich wird.

Schon immer hat die Durchführung eines Insolvenzverfahrens in der Eigenverwaltung einer guten, fachlich beratenen Vorbereitung bedurft. Diese Anforderungen sind durch die zum 01.01.2021 in Kraft getretenen Regeln des SanInsFoG noch verschärft worden. Insbesondere hat das Gesetz detaillierte Neuregelungen der vorläufigen Eigenverwaltung normiert. Eine dezidierte Eigenverwaltungsplanung ist in den Fokus gerückt. Hintergrund für diese Neuerung ist, auf Basis der ESUG-Evaluierung, dass die Eigenverwaltung zukünftig stärker an deren Zweck der sinnhaften und realisierbaren Restrukturierung und den Gläubigerinteressen ausgerichtet sein soll. Wer frühzeitig und gut vorbereitet einen Antrag auf Eigenverwaltung stellt, soll das Privileg erhalten, die Sanierung des Unternehmens weiterhin selbst zu gestalten. Gleichzeitig sollen diese erhöhten Anforderungen gewährleisten, dass auf Basis nachvollziehbarer Prognosen die Unternehmensfortführung mit dem Ziel der Sanierung realistisch zu erreichen sein wird. Letztlich werden die Neuregelungen mit den zusätzlichen Erfordernissen bei Antragstellung allerdings eine erhebliche Begrenzung des Zugangs zur Eigenverwaltung zur Folge haben.

Bis zum 31.12.2020 setzte der Eintritt in die Eigenverwaltung lediglich einen entsprechenden Antrag voraus. Gleichzeitig durften keine Umstände bekannt sein, die Nachteile für die Gläubiger durch diese Verfahrensart befürchten ließen. Ab dem 01.01.2021 rückt nun die detaillierte Eigenverwaltungsplanung in den Fokus, die dem Antrag beigefügt werden muss. Die Anforderungen werden in § 270 a InsO n.F. ausdrücklich aufgezählt und erfordern unter anderem einen Finanzplan für die Dauer von sechs Monaten, der fundiert die Finanzierungs¬SRNL 2021 S. 3 (4)quellen für die Betriebsfortführung in diesem Zeitraum sowie die Verfahrenskosten darstellt.

Die Darstellung der Kosten in der Planung ist nach dem Wortlaut – neben der durchzuführenden Vergleichskostenrechnung – auf 6 Monate begrenzt. Dies ergibt jedoch insoweit keinen Sinn, als Gerichtskosten und die Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters sich nach der verwalteten Masse richten und damit auf die Gesamtdauer des Verfahrens zu berechnen sind. Im vorläufigen Verfahren sind diese mit Blick auf die zu erwartende Masse sehr schwer zu prognostizieren. Lediglich Beraterkosten in der Unterstützung der Eigenverwaltung, die regelmäßig auf Stundenhonorarbasis geschätzt werden können, sind auf diesen Zeitraum abgrenzbar. Für die Finanzplanung kann daher wohl nur der geschätzte Abfluss der Mittel gemeint sein. Dies hätte allerdings zur Folge, dass die Gerichtskosten und ein Vorschuss auf die Vergütung des (vorläufigen) Sachwalters im einheitlichen Vergütungssystem berücksichtigt werden müssten, geht man berechtigterweise vom Anfall in den ersten 6 Monaten aus. Die Mehr- oder Minderkosten der gesamten Eigenverwaltung sind dann nochmals gesondert darzustellen. Umstritten ist bereits jetzt, ob eine Darstellung des Vergütungssystems genügt oder die tatsächlichen Kosten geschätzt darzustellen sind. Wie mit dem Ansatz von Beraterkosten im Vorfeld zur Vorbereitung der Antragstellung umzugehen ist, ist ebenfalls zu klären.

Weiter darzulegen ist ein Konzept für die Durchführung des Insolvenzverfahrens unter Darstellung der Krisenursachen und der angedachten Maßnahmen zur Unternehmenssanierung sowie die Darstellung zum Stand von Verhandlungen mit Gläubigern sowie Dritten. Hierbei hat der Schuldner auch darzulegen, mit welchen Gläubigern ggf. keine Verhandlungen geführt worden sind. Daran wird deutlich, dass die Einbeziehung der Gläubiger in der Eigenverwaltung stärker in den Fokus gerückt wird und ein vorheriges Einbinden der wichtigsten Geschäftspartner gesetzgeberisch gewollt ist. Ohne Frage ist dies auch sinnvoll und zwingend für das erfolgreiche Gelingen einer Sanierung in der Eigenverwaltung. Und auch die eigene Reflektion über Sanierungsmaßnahmen und deren Auswirkungen sind mehr als sinnvoll, um dem Versuch vorzubeugen: fangen wir erst mal an, dann sehen wir schon, wo wir ankommen.

Letztlich muss mit dem Antrag dargelegt werden, welche Vorkehrungen das Unternehmen getroffen hat, um die insolvenzrechtlichen Pflichten zu erfüllen, die in der Eigenverwaltung in dessen Verantwortung liegen, sei es selber oder durch beauftragte Berater – letzteres wird mangels Kenntnissen in der Unternehmensführung der Realität entsprechen.

Anders als im Falle des § 270 d Abs. 1 InsO kann das Unternehmen die vorgenannten Unterlagen selbst erstellen und benötigt keinen unabhängigen Dritten. Die Angaben überprüft das Gericht auf Schlüssigkeit und hinterfragt, ob im Wesentlichen zutreffende Tatsachen der Planung zugrunde gelegt wurden. Stellt das Gericht Fehler fest, ist eine Nachbesserung möglich. Wenn die Eigenverwaltung teurer wird als das Regelverfahren oder eine Kostendeckung für die Betriebsfortführung und die Kosten der Eigenverwaltung nicht sichergestellt sind, erfolgt eine Anordnung der Eigenverwaltung nur, wenn trotz dieser Umstände zu erwarten ist, dass der Schuldner bereit und in der Lage ist, seine Geschäftsführung an den Interessen der Gläubiger auszurichten. Was genau dies zu bedeuten hat, wird aktuell heftig diskutiert.

Doch mit dieser ganzen Prognoserechnung ist es noch nicht genug. Auch wird die bisherige Unternehmensführung auf den Prüfstand gestellt, da unzuverlässige Schuldner von der Eigenverwaltung ausgeschlossen werden sollen. Es ist anzugeben, ob verzugsbegründende Zahlungsrückstände gegenüber Arbeitnehmern, Pensionskassen, nennenswerte Verbindlichkeiten aus Steuerschuldverhältnissen oder gegenüber Sozialkassen oder Lieferanten bestehen. Und auch die Buchführungs- und Offenlegungspflichten in den letzten drei Jahren müssen erfüllt sein. Ist dies nicht gegeben, stellt sich ebenfalls die Frage nach dem Ausrichten des Verfahrens an den Gläubigerinteressen, um die Hürde in die Eigenverwaltung zu nehmen. Vorgenannte Indizien sind wenig von einer Rücksichtnahme auf Gläubigerinteressen geprägt. Letztlich ist darzulegen, ob in den letzten drei Jahren Vollstreckungssperren nach der InsO oder dem StaRUG in Anspruch genommen wurden.

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Hat man nun auch diese Voraussetzung erfüllt, wähnt man sich am Ziel – aber weit gefehlt. Es rücken erneut die Gläubigerinteressen in den Fokus, und zwar in Gestalt des vorläufigen Gläubigerausschusses, der zu dem Antrag auf Eigenverwaltung nach neuem Recht bereits bei der vorläufigen Eigenverwaltung gehört werden soll. Die Gesetzesbegründung stellt auf eine Stärkung der Gläubigerrechte in der Mitbestimmung über die Eigenverwaltung ab. In der Kürze der Zeit des Gesetzgebungsverfahrens ist allerdings ein Verweis auf die Anordnung unterblieben, wenn dem Antrag eigentlich keine Hindernisse im Sinne von § 270 b Abs. 2 InsO entgegenstehen. Liegen diese vor, etwa weil das Verfahren voraussichtlich teurer wird als die Regelabwicklung oder Zahlungsrückstände im Arbeitnehmerbereich oder erhebliche gegenüber dem Fiskus bestehen, so entscheidet das einstimmige Votum des Gläubigerausschusses über die Eigenverwaltung oder deren Ablehnung. Abzuwarten bleibt, ob die Gerichte den Gläubigerausschuss immer anhören werden – insbesondere dann, wenn aufgrund der Vorbereitung bei Antragstellung potenzielle Mitglieder bereits gewonnen werden und kurzfristig in die Entscheidung einbezogen werden können. Kommt es nämlich zu nennenswerten Verzögerungen (zwei Tage nach Antragstellung) mit der Befürchtung der Verschlechterung der Vermögenslage, hat das Gericht vorher selbst zu entscheiden.

Man sieht: der Schuldner muss „die Hosen runterlassen“, um in den Genuss der privilegierten Eigenverwaltung zu kommen. Und es stellt sich die Frage, ob diese Informationen allen Beteiligten zugänglich gemacht werden sollten, die grundsätzlich Einsicht in die Gerichtsakte nehmen können. Bestehen berechtigte Geheimhaltungsinteressen kann die Lösung nur in der Aufnahme dieser Informationen in einem Sonderband liegen.

Und eines wird ganz deutlich: ein Antrag auf eine Insolvenz in Eigenverwaltung lässt sich nicht mehr in einer „Nacht- und Nebel-Aktion“ stellen, wenn die Insolvenzantragspflicht – auch zur Haftungsvermeidung der Akteure – „plötzlich“ vom Himmel fällt. Das Verfahren ist sorgfältig und sehr rechtzeitig unter Abwägung aller zur Verfügung stehenden Sanierungsinstrumente von erfahrenen Beratern vorzubereiten. Sinnvoll ist sicherlich, mit der Gesetzesänderung den Unternehmer zu einer geplanten Restrukturierung zu führen. Die Zeit wird zeigen, ob die nun aufgebauten Hürden allerdings zu einem „Eigenverwaltungsverhinderungsgesetz“ geführt haben.

Vielleicht hilft in dem einen oder anderen Fall noch die Anwendung der alten gesetzlichen Regelungen zur Eigenverwaltung weiter. Auf diese kann sich nämlich berufen, wer nachweisen kann, dass die (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist. Dies muss durch eine Bescheinigung eines in Insolvenzsachen erfahrenen Beraters bestätigt werden.

Ebenfalls gelten die alten Regeln, wenn das Unternehmen im Eröffnungsantrag darlegt, dass keine Verbindlichkeiten bestehen, die am 31.12.2019 bereits fällig waren und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestritten waren. Kann man vielleicht doch einen Vorteil in der Pandemie sehen?

Abbildung 4

Marion Gutheil, Partnerin bei Mönning Feser Partner, ist seit über 20 Jahren im Sanierungs- und Insolvenzbereich tätig. Sie ist Fachanwältin für Insolvenzrecht, Mediatorin und seit mehr als 10 Jahren bestellte Sachverwalterin und Insolvenzverwalterin. Daneben unterstützt sie Unternehmen in der Restrukturierung sowie der Vorbereitung und Begleitung von Eigenverwaltungsverfahren und bietet juristische Beratung und Prozessvertretung im insolvenznahen Bereich an.

 
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